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aber sagen, wie die Religion, empfangen habe? nein! — hier komme
ich schon mit der Religion in Collision — daß sie und zwar gleichzeitig
mit mir sich aus dem Schoße der Natur entwickelt haben. Die Religion
macht nämlich, was kein Productder menschlichen Willkür,
zu einem Product der göttlichen Willkür, was kein Verdienst,
kein Handwerk des Menschen, zu einem Verdienst, einem Geschenk,
einem Handwerk Gottes. Die Religion kennt keine andere hervorbrin—
gende Thätigkeit, als die willkürliche der menschlichen Hand, sie kennt
überhaupt kein anderes Wesen, als das menschliche (das
subjective); das menschliche Wesen ist ihr — und zwar vor allen Göt—
tern — das absolute, das einzige Wesen, das ist; aber gleich—
wohl stößt sie zu ihrer größten Ueberraschung selbst im Menschen auf ein
Nichtich; sie macht daher das nichtmenschliche Wesen im Menschen selbst
wieder zu einem menschlichen, das Nichtich selbst wieder zu einem Ich,
das eben so gut Hände (überhaupt Werkzeuge oder Kräfte der willkür—
lichen Thätigkeit) hat, wie der Mensch, nur mit dem Unterschiede, daß
die göttlichen Hände machen, was die menschlichen nicht machen lön⸗
nen. Zweierlei haben wir also an der Religion zu bemerken. Das
Eine ist die Demuth, womit der Mensch anerkennt, daß er Alles, was
er ist und hat, nicht von sich, selbst sein eignes Leben und Wesen
nur in Pacht, aber nicht in Besitz hat und daher jeden Augenblick von
Haus und Hof getrieben werden kann — wer bürgt mir dafür, daß ich
meinen Verstand verliere? — daß er also gar keinen Grund zu Eigen—
dünkel, Hoch⸗ und Uebermuth hat. ) „Der Mann, sagt Sophokles im
) Der Begriff des Ich, dessen überhaupt, was der Mensch sich zuschreibt, ist ein
sehr unbestimmter und relativer, und in demselben Maaße, als er diesen Begriff erwei⸗
tert oder verengt, verengt oder erweitert sich auch der Begriff oder die Vorstellung der
goͤttlichen Thätigkeit. Ja der Mensch kann — freilich oft aus bloßer religiöser Galan—
E terie und Schmeichelei gegen die Götter — so weit gehen, daß er sich Alles ab⸗
aih spricht; denn daß ich empfinde, daß ich bewußt, daß ich Ich bin, das ist ja am Ende
auch ein Resultat von Prämissen, die außer dem Ich liegen, ein Werk der Natur oder
Gottes. In der That: je tiefer der Mensch in sich eingeht, desto mehr sieht er den
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