Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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Viln Anschauung abtrennt und so aus einem ursprünglich sinnlichen oder 
geistig sinnlichen Wesen zu einem abstracten, metaphysischen Wesen macht. 
Der Gott im Koran und A. J. ist noch ganz natursaftig, noch naßkalt 
von dem Ocean des Weltalls, woraus er entsprungen, aber der Gott 
des christlichen Monotheismus ist ein ganz aus-⸗ und abgetrockneter Gott, 
ein Gott, an dem bereits alle Spuren seiner Entstehung aus der Natur 
getilgt sind; er steht da, wie eine Schöpfung aus Nichts; er verbietet 
selbst die unabweisliche Frage: „was Gott gethan habe, ehe er die Welt 
geschaffen?“ oder richtiger: gewesen ist vor der Natur? mit Ruthen, 
d. h. er verheimlicht, er verbirgt seinen physikalischen Ursprung hinter 
das abgezogene Wesen der Metaphysik. Wenn der erste Gott aus der 
Vermischung der weiblichen Denk- und Einbildungskraft mit der männ— 
lichen Kraft des materiellen Sinnes, so entspringt dagegen der metaphy— 
sische Gott nur aus der Verbindung der Denk-, der Abstractionskraft 
mit der Einbildungskraft. Der Mensch trennt im Denken das Adjectiv 
vom Substantiv, die Eigenschaft vom Wesen, die Form von der Materie, 
wie sich die Alten ausdrückten; denn das Subject selbst, die Materie, 
das Wesen kann er nicht in sich aufnehmen; das läßt er draußen im 
Freien stehen. Und der metaphysische Gott ist nichts als das Compen— 
dium, der Inbegriff der allgemeinsten von der Nalur excerpirten Eigen 
schaften, welchen aber der Mensch und zwar eben in dieser Abtrennung 
von dem sinnlichen Wesen, der Materie der Natur vermittelst der Ein— 
bildungskraft wieder in ein selbstständiges Subject oder Wesen verwan— 
delt. Die allgemeinsten Eigenschaften aller Dinge sind aber die, daß 
jedes ist und Was oder Etwas ist. Das Sein als solches, das 
Sein im Unterschied von dem Seienden aber selbst wieder als Seien— 
des, das Wesen im Unterschiede von den Wesen der Natur aber selbst 
wieder als ein Wesen vorgestellt oder personificirt Mi ist der erste 
und zweite Theil der göttlichen Metaphysik oder Wesenheit. Der Mensch 
n hat aber nicht nur Wesen und Sein mit allen andern Dingen und Wesen 
der Natur gemein; er hat auch ein unterschiedenes Wesen; er hat Ver— 
Feuerbach's fämmtliche Werke. VIII. 27
	        
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