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dieser Stelle das Haupt der Weltherrschaft sein werde. Hier ließen
sich, als der Platz des Capitoliums frei gemacht und mehrere frühere
Altäre weggeräumt wurden, die Jugend und der Grenzgott zur größten
Freude unserer Väter nicht von der Stelle rücken. Hier sind der Vesta
Feuer, hier die vom Himmel herabgefallenen Schilde, hier alle euch,
wenn ihr bleibt, gewogenen Götter. Als daher die Soldaten des Vi—
tellius das Capitolium in Brand gesteckt hatten, verbreitete sich ganz im
Einklang mit den römischen und heidnischen Vorstellungen überhaupt
der Glaube unter den Galliern und Germanen, wie Tacitus in seinen
Historien erzählt, daß das Ende des römischen Reichs gekommen sei.
Einst sei die Stadt von den Gälliern eingenommen worden, aber die
Herrschaft ihr geblieben, weil der Sitz des Jupiter nicht verletzt wor—
den. Der jetzige verhängnißvolle Brand aber sei ein Zeichen des gött—
lichen Zorns und verkünde den Völkern über den Alpen die Herrschaft
der Welt. Wenn die Römer eine Stadt einnehmen wollten, so riefen
sie bekanntlich vorher durch Zauberformeln die Schutzgötter derselben
heraus, weßhalb sie auch, wie Macrobius in seinen Saturnalien sagt,
den Gott, in dessen Schutz Rom war, wie selbst auch den lateinischen
Namen der Stadt Rom geheim hielten. Sie glaubten also, daß die
Schutzkraft der Götter an den Ort gebunden wäre, daß sie nur da wirk—
ten, wo sie räumlich, leiblich wären. Kein Wunder daher, daß der
Polytheismus, namentlich wenn er bei seinen heimischen, vaterländi—
schen Göttern keine Hülfe findet, nach fremden Göttern seine Arme aus—
streckt und sie bereitwillig in sich aufnimmt, um ihre Heil- und Schutz—
kraft zu versuchen. Selbst Cicero noch lobt in seiner Schrift von den
Gesetzen die Griechen und Römer, daß sie nicht wie die Perser diese
ganze Welt den Göttern zum Tempel und Wohnhaus anwiesen, son—
dern glaubten und wollten, daß sie dieselben Städtemit ihnen
bewohnten.