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8) Als z. B. Anno 366 in Rom eine ansteckende Krankheit wuͤ—
thete, da wurde, wie Livius im fünften Buche erzählt, das erste Lecti⸗
sternium, d. h. Göttermahl, und zwar acht Tage lang gefeiert, um die
Götter zu versöhnen. Und diese Freigebigkeit erstreckte sich nicht nur
auf die Götter, sondern auch auf die Menschen. In der ganzen Stadt
standen die Thüren offen, Alles bot man zum öffentlichen Gebrauch an,
Bekannte und Unbekannte lud man zu Tische, enthielt sich aller Processe
und Streitigkeiten, unterhielt sich selbst freundlich mit seinen Feinden,
nahm den Gefangenen ihre Fesseln ab. Als dagegen Anno 359 nach
Rom die Nachricht kam, daß endlich Veji nach einer zehnjährigen Be—
lagerung erobert sei, so war daruͤber, wie Livius in demselben Buche er⸗
zahlt, eine solche außerordentliche Freude, daß noch vor dem Senatsbe—
schluß alle Tempel voll waren von römischen Müttern, welche den Göt—
tern dankten, und der Senat verordnete, daß man vier Tage lang —
mehr Tage als in den bisherigen Kriegen — zu den Göttern beten und
ihnen danken solle
9) „Es ist, sagt der gelehrte Forscher E. Röth ganz in Ueberein—
stimmung mit meinen eignen, nur auf anderem Wege gefundenen Resul⸗
taten in der schon angeführten Schrift uͤber die ägyptische und zoroastrische
Glaubenslehre, es ist eine allgemeine Erscheinung in allen alten Reli—
gionen, daß die Götternamen zuerst nichts als einfache Gemeinnamen
waren, weil sie nur Sachen bezeichneten: Wasser, Wind, Feuer u. drgl.
und der Begriff eines persönlichen Wesens noch gar nicht mit ihnen ver—
bunden war. Dieser letztere entwickelte sich erst spͤt und allmählig aus
den Eigenschaften, die man dem Götterwesen beilegte, und so entstand
dann auch sein Eigenname aus einem jener Beinamen, welche dem Goͤt⸗
terwesen zur Bezeichnung seiner verschiedenen Eigenschaften ursprünglich
in größerer Zahl beigelegt wurden. Je näher daher ein Goͤtterbegriff
seinen Anfängen, um so unbestimmter wird er, so daß ein Göttername
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