Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

gethanen, weggeschaffften Individuen die Gattung, die Menschheit. Der 
Kopf ist das Repräsentantenhaus des Weltalls, der Gattungsbegriff 
der Repräsentant, der Stellvertreter der Individuen, die in ihrer unend— 
lichen Wirklichkeit keinen Platz im Kopfe finden. Aber eben deswegen, 
weil der Gattungsbegriff der Repräsentant der Individuen und weil wir 
bei den Worten: Individuen, Einzelne nur an diese oder jene Einzelne 
denken, so erscheint uns, wenigstens wenn wir bereits den Kopf voll von 
Gattungsbegriffen und der Anschauung der Wirklichkeit uns entfremdet 
haben, nichts natürlicher und vernünftiger, als das Einzelne vom Allge— 
meinen, d. h. das Wirkliche vom Abstracten, das Seiende vom Gedach— 
ten, die Natur von Gott abzuleiten. Gleichwohl hat es mit dieser Ab— 
leitung dieselbe Bewandtniß, wie mit der mittelalterlichen staatsrechtli— 
chen Fiction, welche die Spitze des Staats zum Fundament desselben 
macht, welcher zufolge der Kaiser — der Kaiser ist ja der Gattungsbe— 
griff auf dem politischen Gebiete, in Rom war und hieß sogar allein der 
Kaiser die öffentliche Person, alle Andern Privatpersonen — der Ursprung 
und Grund alles Rechts, aller Macht, alles Adels ist, während doch 
ursprünglich oder der wirklichen Entstehungsgeschichte nach gerade das 
Umgekehrte stattfand, die Potestas multorum, die „Macht der Massen, 
dah. nach den Begriffen der alten Zeiten der Freien“ dem monarchischen 
Princip voranging 
15) Im Denken und Reden, wo man schon der Successton der Ge— 
danken zufolge Alles auseinander reißt und verselbststaͤndigt, so auch 
dem Individuum den Magen aus dem Leibe, das Herz aus der Brust, 
das Hirn aus dem Kopfe reißt, und so die fixe Idee einer abgesonderten 
Individualität, d. h. eines bloßen Gespenstes, eines scholastischen Ge⸗ 
annt dankenwesens sich bildet, gilt freilich auch das Umgekehrte, nämlich, daß 
uheet das Individuum den Allgemeinbegriff voraussetzt; denn was ist ein 
x herlz ah⸗ Individuum ohne Inhalt, ohne die Eigenschaften, Talente oder Kräfte, 
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