Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

5 
die den Menschen zum Menschen machen, die wir aber eben in Gedanken 
vom Individuum unterscheiden und als Gattungsbegriffe verselbststän— 
digen? Dasselbe, was das Messer, wovon man in der Abstraction 
die Klinge weggelassen. — Allerdings geht die Idee oder Sache, der 
ich lebe, nicht mit mir zu Grunde, allerdings hört nicht die Ver— 
nunft auf, wenn ich zu denken aufhöre, aber nur weil andere Indivi— 
duen diese Sache ergreifen, andere Individuen statt meiner denken. „Es 
bleiben die Interessen, es wechseln die Individuen“, aber nur, weil die 
Andern dasselbe Interesse haben, wie ich, eben so wie ich, gebildete, 
freie, glückliche Menschen sein wollen. 
16) Ueber meine in diesen Vorlesungen ausgesprochenen politischen 
Ansichten nur diese kurze Bemerkung. Schon Aristoteles sagt in seiner 
Politik, die fast alle Fragen der Gegenwart behandelt, aber, wie sich 
von selbst versteht, im Geiste des Alterthums, daß man nicht nur die 
beste Staatsverfassung kennen, sondern auch wissen müsse, für welche 
Menschen sie passe, denn auch das Beste passe nicht für Alle. Wenn man 
mir daher vom historischen, d. h. an Zeit und Raum gebundnen Stand— 
punkt aus die constitutionelle Monarchie, versteht sich: die wahre, 
als die fuͤr uns allein passende, thunliche und deswegen vernünftige 
Staatsform construirt, so stimme ich vollkommen bei. Wenn man aber 
abgesehen von Raum und Zeit, d. h. dieser bestimmten Zeit (auch 
Jahrtausende sind nur eine bestimmte Zeit), diesem bestimmten Orte (auch 
Europa ist nur ein Ort, ein Punkt der Welt) die Monarchie als die einzig 
oder absolut vernünftige Staatsform demonstrirt, so protestire ich dage— 
gen und behaupte, daß vielmehr die Republik, versteht sich die demo— 
kratische, die Staatsform ist, welche unmittelbar der Vernunft als die dem 
Menschenwesen gemäße und folglich wahre einleuchtet, daß die constitutio— 
nelle Monarchie das ptolemäische, die Republik aber das copernikanische 
System der Politik ist, und daß daher in der Zukunft der Menschheit 
136
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.