Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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geworfen, daß von seinen Urtkheilen und Ausstellungen immer gerade das 
Gegentheil das Richtige ist, und geht in seiner kleinlich kritischen Malice 
so weit, daß er selbst die einfachsten, sonnenklarsten Sätze von mir, 
Saͤtze, die nur in Worte verwandelte historische Thatsachen sind, Sätze, 
die sogar allgemein anerkannte Wahrheiten aussprechen, wie Ba daß 
die Naturreligion die erste oder urspruͤngliche Religion ist, negirt oder 
doch bekrittelt. Doch ich abstrahire von allen einzelnen Vorwürfen, von 
allen den Widersprüchen, Gedankenlosigkeiten und Unsinnigkeiten, die 
mein Kritiker aus meinen Gedanken theils folgert, theils unmittelbar in 
ihnen ausgesprochen findet. Ich hebe nur ein en Punkt hervor; aber 
er ist der Cardinalpunkt, um den sich Alles dreht. Es ist der Begriff 
des Individuums. Die wesentliche Differenz zwischen meinem 
Standpunkt und dem Standpunkt, den mein Kritiker repräsentirt, besteht 
darin: er unterscheidet die Gattung oder das Allgemeine vom Indivi— 
duum, setzt es diesem als „ein sich selbst setzendes “„d. h. selbstständiges, 
objectives Wesen entgegen, das Individuum ist ihm daher das Negative, 
Endliche, Relative, Zufällige, die Position des Individuums folglich 
die Position der „Willkür, der Unsittlichkeit, der Sophistik“; ich dagegen 
identificire die Gattung mit dem Individuum, individualisire das All— 
gemeine, generalisire aber eben deßwegen das Individuum, d. h. er— 
weitere den Begriff des Individuums, so daß das Individuum mir das 
wahre, das absolute Wesen ist. Nach dem Standpunkt des Herrn Sch. 
hat also der Mensch oder das Individuum in sich „eine sich selbst 
setzende, in sich nothwendige Allgemeinheit“, wodurch das Individuum 
prackisch und theoretisch über sich hinaus kann, eine „principielle All— 
gemeinheit des Ich“, welche der Grund der Sprache, eine „wesentliche 
Allgemeinheit, wodurch das Individuum über seine individuellen 
Neigungen hinaus gesetzt wird,“ „seine individuelle Willkür 
überwindet“, wie in der Sittlichkeit, wodurch es, wie z. B. „in der 
kuͤnstlerischen Begeisterung von der Idee und nicht von seinen eigenen, 
individuellen Vorstellungen getrieben wird“, wodurch, wie 
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