den Kuͤnstler zum Kuünstler, als daß eben seine individuellen Neigungen
Vorstellungen und Anschauungen künstlerische sind? Und was ist denn
die Idee des Kuͤnstlers, von der er getrieben wird, anders, als ein mehr
oder weniger unbestimmtes Bild eines anderen Individuums“, d. h.
hier Kunstwerks „oder eines anderen individuellen Zustandes“ der
Kunst, als der bisherige war? Was sind denn überhaupt „individuelle
Neigungen und Vorstellungen“? Es sind Vorstellungen und Neigun⸗
gen, die nicht zu diesem Berufe, zu diesem Standpunkt, zu dieser Sache
gehören, die aber an sich eben so wesentlich, eben so positiv als andere
sind. Z.aB. ich mache ein erhabenes Gedicht, während dessen fallen
mir allerlei komische Scenen ein, wozu ich eine besondere Neigung habe,
und unterbrechen mich in meinem Flug; diese Vorstellungen sind „indi—
viduelle“, die ich fern halten, abweisen muß, wenn ich mein Thema er—
füllen will; sie sind es aber nicht mehr, so wie ich sie selbst zum Gegen—
stand eines eigenen Kunstwerks mache, so wie ich ihnen den gehörigen
Platz einräume. Dieser Mensch ist ein Maler; er hat an seiner Kunst
den Grund und Haltpunkt seiner materiellen und geistigen oder mora⸗
lischen Existenz; außer dieser seiner aus Neigung erwählten und öffent—
lich anerkannten Gattin hat er aber noch andere Passionen; er ist auch
ein Liebhaber der Musik, der Reitkunst, der Jagd u. s. w. er vernach⸗
laͤssigt darüber seine eigentliche Kunst und stürzt dadurch sich und seine
Familie ins Verderben. Diese Passionen sind allerdings hier „indivi—
duelle Neigungen“; sind sie aber an sich verwerfliche? haben sie nicht
anerkannte, objective Existenz in andern Individuen? giebt es keine
Reiter, keine Musiker, keine Jäger aus Neigung und von Profession?
Dieses Dienstmädchen findet zufällig das Schmuckkästchen ihrer Ge—
bieterin geoffnet; sie erblickt darin eine Menge kostbarer Ringe; es ent⸗
steht in ihr der Wunsch: ach! wenn ich nur auch meine leeren Finger
mit solcher Herrlichkeit schmücken könnte. Die verführerische Gelegen—
heit macht den Wunsch zur That — das arme Geschöpf stiehlt und
kommt in das Strafarbeitshaus. Ist diese Neigung zu einem Edel—
452—