Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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(paucos), aber dieses Verbrechen verhängt über alle Bürger (universis 
eivibus) das schrecklichste Unglück, zerstört das Glück Aller (omnium). 
Die alten Germanen kannten kein Majestätsverbrechen, sondern nur 
„ein Verbrechen gegen die Nation“. (Eichhorn: deutsche Staats- und 
Rechtsgeschichte.) Wer war denn aber diese Nation? Alle freien Deutsche. 
„Ueber geringfügigere Dinge berathen sich die Vornehmsten oder Fürsten, 
über die wichtigeren Alle“. (Tacitus.) „Bei manchen Fragen hatte jeder 
einzelne Rechtsfähige außer dem Mitberathungsrecht sogar ein abso hu— 
tes Veto“. (Wirth a. a. O.) Ich werde nicht davon abstehen, schreibt 
Brutus an Cicero, unsern Staat (ciyitatem nostram) aus der Scla— 
verei herauszuziehen. Wenn mir dieses Unternehmen gelingt, so werden 
wir uns alle freuen, wo nicht, so werde ich doch mich freuen, denn mit 
welchen Handlungen oder Gedanken sollte ich dieses Leben hinbringen, 
als mit solchen, die die Befreiung meiner Mitbürger (überandos 
cives medos) zum Zwecke haben? Also auch, wer der Idee der Frei— 
heit lebt und stirbt, der denkt nur an freie Menschen, an freie 
Individuen, wenn er auch nicht gerade an dieses oder jenes Indi— 
viduum denkt. Aber glauben Sie denn, mein bester Herr Professor! 
it daß ich, wenn ich das Einzelne im Gegensatze gegen das Allgemeine der 
Ellhz⸗ Philosophie, das Individuum im Gegensatz gegen die Gattung geltend 
echen er⸗ mache, ich nur dieses Einzelne mit Ausschluß des andern Einzelnen, 
Penige diese Individuen mit Ausschluß der andern im Sinne habe, daß ich also 
dem monarchischen und aristokratischen Princip, welches bis— 
her sich als das Allgemeine geltend gemacht und die Welt beherrscht hat, 
das Wort rede? Wie können Sie mir eine solche Absurdität zutrauen! 
u Mein Princip umfaßt alle Individuen: vergangene, gegenwärtige, 
h zukünftige: der Standpunkt der Individualität istder 
Standpunkt der Unendlichkeit und Universalität, im 
Sinne des dünkelhaften und neidischen Begriffs allerdings der „schlech— 
ten“, im Sinne des Lebens aber sehr guten, weil allein schöpfe— 
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