Sonne oder Sonnengott zugleich ein wie der Mensch sich willkür—
lich bewegendes, wie der Mensch kämpfendes, leidendes, unter⸗
liegendes, aber endlich wieder siegreich auferstehendes Wesen, kurz
ihr Lauf der Lebenslauf eines Helden. In der alten Anschauung
war die Sonne, war die Natur das Subject, das Hauptwort,
der Held, der Mensch das Prädicat, das Beiwort; die homerische
Anschauung hat und zwar mit vollem Rechte, mit consequentem
Wahrheitssinn dieses Prädicat zum Subject, dieses Beiwort zum
Hauptwort gemacht. Die Sonne ist freilich der Naturreligion
nur ein Wesen, wie ein Held oder Mensch; aber dieselbe weiß
noch nichts von Allegorieen, von Gleichnissen und Bildern im
Sinne des zwischen Bild und Sache oder Gedanke unterscheiden⸗
den Verstandes; das Bild ist ihr Wesen; die Sonne daher wirk—
lich ein Held, wirklich ein menschliches Wesen, welches folglich
auch für sich selbst, ohne die Sonne, zum Gegenstand gemacht
werden konnte, ja mußte.
Wenn der Parse oder Inder zum Feuer oder Wasser betet, so
hat er, wenn auch kein menschliches Wesen vor Augen, doch im
Sinne, denn er setzt voraus, daß ihre Wirkungen und Bewegun—
gen Willensäußerungen sind, daß sie nicht unempfindlich für seine
Wünsche und Bedürfnisse, daß sie, wie der Mensch durch herz—
liche Bitten, durch freigebige und freiwillige Gaben bestimmbar
sind; er setzt also voraus, daß das theologische Wesen des Feuers
und Wassers ein kryptoanthropologisches Wesen ist. Homer hat
nun nichts weiter gethan, als daß er diesem menschlichen Sinn
— der Naturreligion, wie sichs gehört, auch einen menschlichen Kör—
Sinntt per gegeben, daß er den Proteus, den sich in Feuer und Wasser,
e ir⸗ Thier und Pflanze, kurz alle Naturkörper verwandelnden und sich
imnd hinter sie versteckenden Menschen bei der Gurgel gefaßt und zu
nan alẽ dem Geständniß gezwungen hat, daß die Theologie, so auch die
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