Full text: Theogonie nach den Quellen des classischen, hebräischen und christlichen Alterthums (9. Band)

Sonne oder Sonnengott zugleich ein wie der Mensch sich willkür— 
lich bewegendes, wie der Mensch kämpfendes, leidendes, unter⸗ 
liegendes, aber endlich wieder siegreich auferstehendes Wesen, kurz 
ihr Lauf der Lebenslauf eines Helden. In der alten Anschauung 
war die Sonne, war die Natur das Subject, das Hauptwort, 
der Held, der Mensch das Prädicat, das Beiwort; die homerische 
Anschauung hat und zwar mit vollem Rechte, mit consequentem 
Wahrheitssinn dieses Prädicat zum Subject, dieses Beiwort zum 
Hauptwort gemacht. Die Sonne ist freilich der Naturreligion 
nur ein Wesen, wie ein Held oder Mensch; aber dieselbe weiß 
noch nichts von Allegorieen, von Gleichnissen und Bildern im 
Sinne des zwischen Bild und Sache oder Gedanke unterscheiden⸗ 
den Verstandes; das Bild ist ihr Wesen; die Sonne daher wirk— 
lich ein Held, wirklich ein menschliches Wesen, welches folglich 
auch für sich selbst, ohne die Sonne, zum Gegenstand gemacht 
werden konnte, ja mußte. 
Wenn der Parse oder Inder zum Feuer oder Wasser betet, so 
hat er, wenn auch kein menschliches Wesen vor Augen, doch im 
Sinne, denn er setzt voraus, daß ihre Wirkungen und Bewegun— 
gen Willensäußerungen sind, daß sie nicht unempfindlich für seine 
Wünsche und Bedürfnisse, daß sie, wie der Mensch durch herz— 
liche Bitten, durch freigebige und freiwillige Gaben bestimmbar 
sind; er setzt also voraus, daß das theologische Wesen des Feuers 
und Wassers ein kryptoanthropologisches Wesen ist. Homer hat 
nun nichts weiter gethan, als daß er diesem menschlichen Sinn 
— der Naturreligion, wie sichs gehört, auch einen menschlichen Kör— 
Sinntt per gegeben, daß er den Proteus, den sich in Feuer und Wasser, 
e ir⸗ Thier und Pflanze, kurz alle Naturkörper verwandelnden und sich 
imnd hinter sie versteckenden Menschen bei der Gurgel gefaßt und zu 
nan alẽ dem Geständniß gezwungen hat, daß die Theologie, so auch die 
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