Genauigkeit und Eindeutigkeit der kristallographischen
Orientierungsbestimmung mittels Elektronenbeugung
MANFRED VON HEIMENDAHL
(Institut für Werkstoffwissenschaften I der Universität Erlangen/Nürnberg)
1. Einleitung
Die Feinbereichsbeugung im Elektronenmikroskop liefert von einem ausgeblendeten, ein-
kristallinen Probenbereich der Größenordnung 1 bis 5 um @ ein Punktdiagramm (Laue-
Diagramm), aus dem man die Orientierung der Probenstelle in Bezug auf ein ortsfestes
Achsenkreuz bestimmen kann ! bis * 71 eider ist jedoch diese Orientierungsbestimmung im
allgemeinen weder besonders genau noch eindeutig. D. h., es können Meßfehler von + 5 bis
+ 10° (in ungünstigen Fällen) auftreten, und überdies kann ein gegebenes Beugungsdiagramm
(in der Regel) durch zwei verschiedene Kristallorientierungen erzeugt werden (Zwei-
deutigkeit). Vor kurzem wurden bereits an anderen Stellen !;? ausführlichere Zusammen-
stellungen der verschiedenen Möglichkeiten gegeben, die Genauigkeit zu verbessern bzw. die
Eindeutigkeit zu gewinnen. Deshalb sollen hier diese Möglichkeiten nur noch einmal kurz
aufgeführt werden, danach aber auf eine kürzlich neu erkannte Art der Zweideutigkeit — die
sog. „Koinzidenz-Zweideutigkeit‘“ — näher eingegangen werden.
2, Genauigkeit der Orientierungsbestimmung
Das Punktdiagramm der Elektronenbeugung ist eine maßstabgetreue Abbildung eines
annähernd ebenen Schnittes durch das reziproke Gitter der Probe senkrecht zum Primär-
strahl P ? bis 4. Wegen der Dünnheit der für die Elektronen transparenten Präparate entarten
die reziproken Gitterpunkte zu Stäben parallel P. Dies hat zur Folge, daß eine Verkippung
der Probe um z. B. 5° oftmals noch denselben Schnittpunkt des reziproken Gitterstabes mit
der Ewaldkugel ergibt, d. h. der Beugungspunkt auf der Platte unverändert bleibt*. Hierauf
beruht also die prinzipielle Ungenauigkeit bei der Orientierungsbestimmung aus Punkt-
diagrammen. Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten, bei gewissen Voraussetzungen die
Genauigkeit z. T. erheblich zu verbessern:
2.1. Kikuchi-Linien
Im Gegensatz zum Punktdiagramm liefern Kikuchi-Linien eine um eine Größenordnung
bessere Genauigkeit, die oft nur durch die zumeist graphischen Auswerteverfahren (stereo-
graphische Projektion) begrenzt ist, nämlich besser als + 1/29. Das System der Kikuchi-
Linien ist als starr mit dem Kristallgitter verbunden vorzustellen. Eine kleine Verkippung der
Probe um den Winkel e äußert sich deshalb als Parallelverschiebung der Linien auf dem
Leuchtschirm um den Vektor ä, wobei gilt:
e= 3 /L
(4)
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