Statistische Analyse als Beitrag zur Konstitutionsforschung
TILMAN MAGER, GÜNTER PETZOW
(Max-Planck-Institut für Metallforschung, Institut für Sondermetalle, Stuttgart)
1. Einleitung und Fragestellung
Die experimentelle Arbeit an Metallsystemen stellt bislang den wesentlichen Teil der Konsti-
tutionsforschung dar, Ausgehend von dem Ziel, neue Legierungen oder Legierungsreihen zu
finden und deren physikalisch-chemische Eigenschaften zu bestimmen, erarbeitet man die
zugehörigen Gleichgewichts- oder Phasendiagramme. Mit Hilfe der bekannten Unter-
suchungsmethoden wie Thermoanalyse, Lichtmikroskopie, Dilatometrie, Röntgenanalyse,
DTA, Mikrosonde und thermochemische Kalorimetrie, um nur einige zu nennen, werden die
umfangreichen Experimente durchgeführt. Bedingt durch die technischen Anwendungen,
steht die Weiterentwicklung und Verfeinerung der Meßmethoden heute noch im Vorder-
grund.
In letzter Zeit werden beachtliche Fortschritte in der rechnerischen thermodynamischen
Behandlung von Zustandsdiagrammen gemacht.
Es ist heute möglich, bestimmte begrenzte Teile von Phasendiagrammen, z. B. Löslichkeits-
linien und, in günstigen Fällen, Löslichkeitsflächen oder Liquidus- bzw. Soliduslinien, aus
thermochemischen Daten zu berechnen.
So ist in der Zwischenzeit eine große Zahl von Einzelinformationen in der Form von binären,
ternären und einigen Phasendiagrammen höherer Systeme angehäuft worden. Um die
Gesamtheit dieser Systeme in den Griff zu bekommen, wurde verschiedentlich versucht, den
Phasendiagrammen einen allgemeinen Überbau in Form einer geschlossenen Theorie zu
geben*>*, Das Problem, Phasendiagramme aus Atomparametern zu bestimmen, ist bislang
noch nicht gelöst worden.
Eine von den genannten Untersuchungsmöglichkeiten vollkommen abweichende Methode
stellt die statistische Analyse von Phasendiagrammen dar. Die Methodik besteht darin, die
experimentell aufgestellten Phasendiagramme einer vergleichenden Betrachtung zu unter-
ziehen, um in bezug auf Klassen von Konstitutionstypen Gesetzmäßigkeiten herauszufinden,
deren wesentliche Bestandteile Korrelationsfaktoren — aufgebaut aus Atomparametern —
sind, Dabei wird eine analytische Form der Korrelationsbeziehungen angestrebt, um später,
in Weiterentwicklung des Konzepts, mit ihrer Hilfe quantitative Aussagen machen zu
können. Die Vorhersage von Phasendiagrammen bzw. Wahrscheinlichkeitsaussagen über diese
wird angestrebt.
Bisher erstreckten sich solche Untersuchungen auf die Analyse bestimmter Reihen einfacher
binärer Systeme (Eutektika, Peritektika und durchgehende Löslichkeit). So konnte ver-
schiedentlich gezeigt werden, daß die Ausbildung der genannten Gleichgewichte von
Volumen-, Temperatur- und Konzentrationsfaktoren kontrolliert werden, deren analytische
Verknüpfung Wahrscheinlichkeitsaussagen zuläßt“ bis 8 Während auf diese Art bisher nur
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