Unter mechanischer Belastung bei hohen homologen Temperaturen stellen Korngrenzen in der
Regel Schwachstellen dar. Oberhalb 0,5 T,, (200 °C bei Al) kontrollieren diffusionsgesteuerte
Mechanismen mit starker Abhängigkeit von der Korngröße, wie Korngrenzengleiten oder Diffu-
sionskriechen, sowohl die Verformungsgeschwindigkeit als auch die Schädigungsrate. Es wurde
aus diesem Grund versucht, eine grobbkörnige Gefügevariante durch Rekristallisation herzustel-
len. In Abb. 3 ist das erhaltene Gefüge abgebildet. Die Kornstruktur ist vergleichbar mit der von
ODS-Superlegierungen. Korngrößen betragen in Längsrichtung ca. 5 mm, bei einem Korn-
streckungsverhältnis von » 15.
0 Verfahren wird Zur Auswertung des Gefüges wurden die Proben in einem Kalteinbettmittel nach üblichen Metho-
5) in io“ - den geschliffen, bis 1 um poliert und nach einem Verfahren von Barker (1949) elektrolytisch unter
Tey folgenden Bedingungen geétzt:
Tey Atzldsung: 0,7 g H3BOs, 10 ml HF (40%), 200 ml H,O
2 ner Ätzdauer: 50-60 s
10. Anschließend Spannung: 18-20 V (ergibt eine Stromstärke von 0,1 A/mm bei 3 cm Abstand von einer
Edelstahl-Kathode)
Durch dieses Ätzverfahren bildet sich auf der Probenoberfläche eine dünne, optisch anisotrope
Oxidschicht, deren Dicke von der Kornorientierung abhängt. Bei Betrachtung in polarisiertem
ern gemahlen und Licht mit einem \/4-Plättchen erscheinen unterschiedlich orientierte Körner verschiedenfarbig.
N Wi N Die Rekristallisation erwies sich als ein sehr empfindlicher Prozeß, bei dem das erhaltene Gefüge
N ; = in hohem Maße von der thermischen und mechanischen Vorgeschichte des Materials abhängt. Zu
h reproduzierbaren Ergebnissen führte folgende Behandlung: Die erhaltenen 12 mm dicken Rund-
| ’ stangen wurden auf 6 mm Durchmesser rundgehdmmert, ca. 1 h bei 400 °C gegliiht, dann auf den
” N i Enddurchmesser von 5 mm rundgehdmmert und bei 600 °C 10 min lang der Grobkornglihung
T N 5 unterworfen. Ohne die thermisch mechanische Vorbehandlung betrug der Grobkornanteil am
A Gefüge weniger als 80%, den restlichen Teil bildete eine dritte Gefügevariante: rekristallisiertes
Feinkorn. Dieses Gefüge hat eine schwache <100>-Textur und ist mit Kornabmessungen von
; 2 um in Längsrichtung wiederum sehr feinkörnig. Die verschiedenen Gefügevarianten, die sich aus
=" den unterschiedlichen Vorbehandlungen ergeben, sind in Abb. 4 zusammengefaßt.
Untersuchungen von Kriecheigenschaften der verschiedenen Gefiigevarianten führten zu dem
überraschenden Ergebnis, daß selbst bei 500 °C der Kriechfestigkeitsvorteil des grobkdrnigen
Gefiiges gegeniiber Feinkorn im Ausgangszustand sehr gering ausfillt. Rekristallisiertes Feinkorn
hingegen zeigte eine deutlich niedrigere Kriechfestigkeit im Vergleich zu den anderen Gefiige-
varianten.
Diese Beobachtungen können durch Korngrößeneffekte nicht erklärt werden. Es wird vielmehr
davon ausgegangen, daß die Textur hier eine entscheidende Rolle spielt (Rösler, Joos, Arzt 1989).
Prakt. Met. Sonderbd. 21 (1990)
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