Prakt. Met. Sonderband 41 (2009) 171
Benötigt ein Werkstoffprüflaboratorium speziell ausgebildete
Metallographen und Werkstoffprüfer (w/m)?
Einige Fallstudien aus dem Großgasturbinenbau
A. Neidel, J. Völker ”, G. Jeschke ?
)) Siemens Energy Sector, Berlin; ” Lette-Verein, Berlin
1 Einführung
In der betrieblichen Praxis von Werkstoffprüflaboratorien stellt sich zunehmend die Frage nach dem
Ausbildungsstand des Personals. Zum einen ergibt sich mit dem Bologna-Prozess auf akademischer
und mit den Bemühungen um die europäische Bildungsharmonisierung auch auf subakademischer
Ebene ein Trend hin zu vermeintlich passgenauen Ausbildungsgängen, mithin zu geringeren Perso-
nalkosten. Das Personal soll für die auszuführenden Aufgaben gerade ausreichend, also nur so gut
wie minimal erforderlich, ausgebildet sein. Zum anderen fordern die Firmen selbst eine zunehmen-
de Flexibilität von der Mitarbeiterschaft. Das Personal soll möglichst überall einsetzbar sein. Ge-
fragt ist also eher der Generalist als der Spezialist.
Hinzu kommt in Deutschland als relativ neue Entwicklung die Schließung spezieller Ausbildungs:
bereiche, wie jiingst der Metallographieausbildung in Stuttgart, die in ihrer Form europaweit und,
wie unter Gesichtspunkten der Globalisierung hinzuzufügen wäre, weltweit einmalig sind.
Einige Fallbeispiele aus dem normalen Tagesgeschäft der Qualitätssicherung eines Großgasturbi-
nenwerkes sollen den Bedenken der Praktiker bezüglich dieser Entwicklungen Ausdruck verleihen.
Der Beitrag möchte aufzeigen, dass der Einsatz von Spezialisten wegen der damit verbundenen
Fehlervermeidung wirtschaftlich ist. Der Vortrag will dazu beitragen, die Entscheidungsträger zu
veranlassen, jene unvorteilhafte Entwicklung, nämlich die Schwächung der Spezialausbildung, auch
in Bezug auf die weltweite Bildungslandschaft noch einmal zu überdenken und zumindest in Teilen
umzukehren.
Die Laborpraxis vieler Betriebe hat die Überlegenheit einer Spezialausbildung, die Elemente der
Metallkunde, Metallographie, zerstörender und zerstörungsfreier Werktoffprüfung einbezieht, ge-
genüber dem Einsatz fachfremden oder ungelernten Personals gezeigt. Der politischen Korrektheit
wegen sei noch ergänzt, dass sich die im folgenden genannten Berufsbezeichnungen immer auf bei-
de Geschlechter beziehen, also auf Metallographinnen und Metallographen. Werkstoffprüferinnen
und Werkstoffprüfer, Facharbeiterinnen und Facharbeiter.
2 Die typische Personalsituation in industriellen Werkstoffprüflaboratorien
In kleineren bis mittleren Industrielabors mit vielleicht 5 bis 25 Mitarbeitern und den insbesondere
fiir Wareneingangspriifungen erforderlichen klassischen 3 Bereichen chemische Analytik, F estig-