260 Prakt. Met. Sonderband 41 (2009)
einer vorangegangenen Studie [7,8]. Im nur abgeschreckten, gehärteten Zustand beträgt demnach
die Zugfestigkeit ca. 1700 MPa. Ein Anlassen der martensitischen Gefüestruktur führt zu einem
Rückgang der Festigkeit, wobei sich eine Verbesserung der Duktilität allerdings erst bei Anlass-
temperaturen oberhalb 460°C einstellt. Im Fokus dieses Beitrags steht die Beschreibung und Dis-
kussion der anlassbedingten Gefügeveränderungen und deren Korrelation mit den im Zugversuch
ermittelten mechanischen Kennwerten.
2 Versuchsdurchfiithrung
Die chemische Zusammensetzung des in dieser Studie verwendeten Stahls 22MnB5 ist Tabelle 1 zu
entnehmen.
Tabelle 1. Chemische Zusammensetzung (Gew.-%) des verwendeten Stahls 22MnB5.
s | p | B Al
0.224 1.046 0.236 0.0019 | 00103 | 00035 | 00395 | 02185 | 00044 | 0.0370
Die Zugversuchsproben wurden aus 1,7 mm dickem Stahlblech entsprechend der ASTM Richtlinie
E-8-82 gefertigt. Sämtliche Proben wurden in einem Salzbad bei 890 °C austenitisiert und an-
schließend in Wasser abgeschreckt. Zur Untersuchung des Einflusses der Anlassintensitit wurden
dann Anlassbehandlungen bei 150°C, 175°C, 200°C, 250°C, 350°C, 460°C und 520°C bei Anlass-
dauern von 600 s, 3600 s und 36.000 s durchgeführt. Für die Gefügeuntersuchungen wurden Teil-
proben aus den Zugproben entnommen. Diese wurden geschliffen, poliert, in Nital geätzt und an-
schließend in einem hochauflösenden Rasterelektronenmikroskop untersucht. Bei dem Mikroskop
handelte es sich um ein Hitachi S-4000 mit kalter Feldemissionskathode (FE-REM). Die Auflösung
des Mikroskops war durch eine Magnetfeldkompensation mittels Helmholtzspulen und einer akti-
ven pneumatischen Dämpfung optimiert. Im Folgenden werden ausgewählte SE-Aufnahmen prä-
sentiert und hinsichtlich ihres Einflusses auf die mechanischen Eigenschaften diskutiert. Die am
REM eingestellte Anregungsspannung betrug grundsätzlich 20 kV
3 Ergebnisse
Im Verlauf dieser Studie zeigte sich rasch, dass die Nutzung eines hochauflösenden REM für vor-
liegende Zwecke unabdingbar war. Nur so konnte gewährleistet werden, dass die feinen Strukturen
der Härtungs- und Anlassgefüge in ausreichender Qualität aufgelöst wurden. Die so gewonnenen
Einblicke in die Nanostruktur gestatteten z.B. Schlussfolgerungen bezüglich der Ausscheidungski-
netik der Karbide. Im Folgenden wird gezeigt, wie die anfängliche Bildung von Übergangskarbiden
im Martensit, sowie bei höheren Anlasstemperaturen die Entstehung von Zementit und die Um-
wandlung des Martensits in Ferrit, das Festigkeits- und Duktilitätsverhalten bestimmen.
Bei den REM-Aufnahmen in vorliegender Untersuchung sind infolge der Probenätzung und unter
Berücksichtigung der gewählten Darstellungsart (SE) grundsätzlich die Hell-Dunkel-Kontraste als
Unterschiede in der Oberflächentopografie zu interpretieren. Helle Zonen weisen eher auf Gefüge-
bestandteile hin, die eine höhere chemische Beständigkeit gegenüber Nital aufweisen und somit aus
der Probenoberfläche herausragen. Aufgrund dieses Effekts erscheinen z.B. in normalgeglühten
Stählen die Zementitlamellen im Perlit bei Betrachtung im REM vergleichsweise hell [9].