Full text: Fortschritte in der Metallographie

Prakt. Met. Sonderband 41 (2009) 21 
Über das Yersagen von Strommasten im Miinsterland (Nov. 2005) - 
der Beitrag der Metallographie und der Fraktographie 
W. Baer, D. Bettge, C. Klinger, P. D. Portella 
BAM Bundesanstalt fiir Materialforschung und —priifung, Berlin 
1 Einführung 
Am 25. und 26. November 2005 herrschten im Miinsterland durch einen Wintereinbruch unge- 
wohnliche Wetterverhiltnisse. Bei einem stetigen Siidstidwestwind etwa der Stärke 8, starkem 
Schneefall und einer Temperatur von etwa 0 °C lagerte sich Schnee an Freileitungen an, Bild 1. 
Einige belegte Leiterseile hingen bis auf den Boden durch. Ausgelost durch diese Belastung versag- 
ten insgesamt 82 Hochspannungsmasten und brachen um, Bild 2, die betreffenden Stromkreise 
wurden dadurch unterbrochen. Infolgedessen war die Stromversorgung großflächig fiir bis zu 
Stahl 250.000 Personen für mehrere Tage ausgefallen. 
Zentrale Fragestellung der hier vorgestellten Untersuchung war es, ob neben dem Unwetter und der 
dadurch entstandenen Belastung weitere Faktoren zum Versagen von Strommasten geführt haben. 
Die umgebrochenen Strommasten konnten vom Aufstellungsort her in verschiedenen Gruppen ein- 
Is geringfügig geteilt werden, die zu verschiedenen Stromkreisen gehörten. Der Instandhaltungszustand aller un- 
erden könnte. tersuchten Hochspannungs-Masten bezüglich des Schutzes gegen Korrosion war in Ordnung. Kor- 
hohter Span- rodierte Bereiche, die zu einer Verminderung tragender Querschnitte hätten führen können, wurden 
-Jeinen Risses nicht gefunden. Insofern spielte Korrosion bei dem Versagen der Masten keine Rolle. Aus ver- 
weiterer klei- schiedenen dieser Gruppen wurden Schadensteile von Masten verschiedenen Alters (1950 — 1990) 
durch Schwi- als Prüfstücke entnommen: gebrochene Diagonalen, Anschlüsse an die Eckstiele u. A.. Zu diesen 
ng am atomar Masten gehörten sowohl Winkelabspannmasten, an denen die Freileitung eine Richtungsänderung 
igkeit besitzt, vollzieht, als auch Tragmasten. An diesen Prüfstücken wurden metallkundliche und werkstoffme- 
tallogr., Son- chanische Untersuchungen sowie Zugversuche an Originalbauteilen zur Charakterisierung der ver- 
n und anhand wendeten Werkstoffe durchgeführt. [1] 
2 Mögliche Einflüsse der eingesetzten Werkstoffe: Thomas-Stahl 
Die metallkundlichen Untersuchungen zeigten, dass es sich bei Eckstielen und Diagonalen mit Bau- 
jahr 1960 und älter um solche aus dem sog. Thomas-Stahl handelte. 
Unter der Bezeichnung "Thomas-Stahl" wird umgangssprachlich die Gesamtheit aller nach dem 
Thomas-Verfahren erzeugten Stähle in pauschaler Weise zusammengefasst. Damit wird der Zugang 
zu einer differenzierten Betrachtungsweise häufig erschwert, gelegentlich jedoch auch ganz verbaut. 
Nach dem Thomas-Verfahren erzeugte Stähle wurden in Deutschland während einer Periode von 
etwa 100 Jahren bis in die 70-er Jahre des letzten Jahrhunderts in großem Maßstab hergestellt und 
eingesetzt; sie erlangten eine immense volkswirtschaftliche Bedeutung. [2, 3] 
Mit der von Sidney G. Thomas und Percy C. Gilchrist im Jahre 1878 eingefiihrten und später Tho- 
mas-Verfahren genannten Methode zur Flussstahlerzeugung konnte phosphorreiches Roheisen im 
Konverter zu Stahl verblasen werden, was durch eine basische Zustellung des bislang sauer ausge- 
kleideten Bessemer-Konverters gelang. Wegen der heimischen phosphorreichen Erzlagerstätten hat
	        
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