12 Prakt. Met. Sonderband 30 (1999)
Einige Folgerungen und Perspektiven hr
In meiner Tatigkeit als Schriftleiter der Praktischen Metallographie stellte sich immer wieder die >
Frage: „Paßt der eingesandte Aufsatz zum Themengebiet?“ Und wenn bei strenger Auffassung des
Titels Zweifel bestanden: „Wohin paßt er sonst?“ Und so zwang das Nachdenken über ’
Einschränkungen auch immer wieder zum Nachdenken über die Einordnung der praktischen N
Metallographie, der Metallographie im allgemeinen und über zugehörende Begriffe. Die als Titel für -
diesen Aufsatz gewählte Frage ist deshalb nicht eine rein semantische. Sie betrifft unter anderem Er
auch mein Selbstverständnis als Metallkundler, der sich mit der Metallographie nicht nur ein en
wertvolles Untersuchungsverfahren, sondern auch die anderen in diesem Aufsatz genannten ha
Aspekte erschlossen hat.
Vor genau 30 Jahren hat Hornbogen [54] in der Praktischen Metallographie eine Arbeit iiber den rl
Gefügebegriff mit folgenden Worten eingeleitet: „Neue Erkenntnisse oder Untersuchungsmethoden po
machen es notwendig, von Zeit zu Zeit zu prüfen, ob die Begriffe, mit denen wir arbeiten, noch vo
widerspruchsfrei anwendbar sind.“ Ein Problem ergibt sich aus der erfolgreichen Anwendung der !
hochentwickelten Präparations- und Mikroskopierverfahren auf andere Werkstoffe, die zu den Bench
Wortschöpfungen „Keramographie‘“ und „Plastographie“ geführt hat. Unter anderen Autoren hat “ot
Petzow 1989 als Uberbegriff ,,Materialographie” vorgeschlagen und gleichzeitig drauf hingewiesen, wi
daß die Einführung dieses Begriffes nicht ganz unproblematisch verläuft [6]. Auf der 1998
eingerichteten Internet-Seite „Materialographie“ [23] findet sich eine Definition „Metallographie
(treffender eigentlich Materialographie) ist eine Disziplin der Materialwissenschaft . . .“ Heute ist Litera
die Einführung des Begriffs wohl nicht mehr zu verhindern, und es besteht außer der Schwierigkeit
bei der Aussprache auch keinerlei Grund dazu, „Materialographie‘“ nicht als zweckmäßige JE
Erweiterung von „Metallographie auf alle Werkstoffgruppen zu verwenden. es
-
is:
Wenn ,,Materialographie* jedoch im Sinne von Hornbogen und Petzow [1] auch auf die praktischen 3C
Aspekte (Probenpräparation und mikroskopische Untersuchung) eingeschränkt wird, brauchen wir Ach
weitere Begriffe. Von Rhines [41] wurde „Microstructology‘““ vorgeschlagen, um auch die oben fu
diskutierten Aspekte der quantitativen und qualitativen Beschreibung der „Mikrostruktur‘“ und der -iC
Auswirkung auf das Werkstoffverhalten einzubeziehen. Ins Deutsche läßt sich dies direkt als ot
Mikrostruktologie [41] iibernehmen oder als ,,Gefiigelehre® oder als “Gefligekunde* libersetzen. -
In Analogie zu „Geologie“ könnte aber auch an die bisher noch nicht belegten Begriffe 616
„Metallogie‘“ und „Materialogie‘“ (als nicht ganz so stark die Zungenakrobatik herausfordernde JH
Abkiirzungen von ,,Metallologie* und ,,Materialologie®) gedacht werden. Das „oder“ im Titel dieses ST
Aufsatzes wire damit nicht als Kennzeichnung einer Alternative, sondern als die einer 6
Unterordnung zu verstehen. z
Goethe läßt Mephisto sagen: „Denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich de.
ein; mit Worten läßt sich trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten.“ Trotzdem widerstehe
ich hier der Versuchung, meine (durchaus vorhandenen) Vorstellungen möglicher Definitionen
wiederzugeben. Denn semantische Aspekte werden die Zukunft der Metallographie nicht
entscheiden. Das Nachdenken über den Begriff und über die in diesem Aufsatz diskutierten Aspekte
kann aber ebensowenig aufhören wie ihre Weiterentwicklung - solange es die Metallographie gibt. in