Metallographie und Geschichtswissenschaft, ein neues fruchtbares Verhältnis
Gerhard Sperl, Leoben
Einleitung
Die Geschichtswissenschaften lassen sich heute nach dem der Forschung zugrundeliegenden
Material in Papierwissenschaften, die sich auf schriftliche Dokumente stützen, und
materialzugewandte Geschichtswissenschaften unterteilen. Letztere wieder sind entweder mehr
beschreibend, wie die Kunstgeschichte oder die klassische Archäologie, oder grabend tätig, wie
Paläontogie, Anthropologie oder Urgeschichte. In allen diesen Richtungen werden auch die
op Grundlagen der materiellen Kultur und ihre Entwicklung betrachtet. Die Nutzung der Werkstoffe,
dnkischen besonders der Metalle, nimmt dabei einen besonderen Platz ein. Diese sind wiederum der
naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise zugénglich, sie können materiell untersucht werden.
Diese Forschungsrichtung ist sehr alt, bereits im Altertum und der Renaissance spürbar, hat aber
in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung für die historische Forschung gewonnen. Die
Arbeitsrichtung wird heute allgemein als "Archäometrie" (1*) bezeichnet, bei der man mit
chemischen, physikalischen und metallographischen Methoden Aussagen über das Alter, die
Herkunft und die Fertigungsmethode der Werkstoffe erarbeitet. Diese wiederum können als solides
Fundament für die Historiker im Allgemeinen, aber auch für die Geschichte der Nutzung der
Werkstoffe im Besonderen dienen. Sie haben damit sowohl naturwissenschaftlichen wie
geisteswissenschaftlichen Nutzen für die dem Menschen und seiner Entwicklung zugewandten
Forschung. Die Untersuchung der frühen Metalle (Archäo-Metallographie) im Besonderen, die
aller historischen Werkstoffe im Allgemeinen (Archäo-Materialographie)(2*) nimmt hier einen
N besonderen Platz ein.
täh!
Geschichte der Werkstoffe
Die Entwicklung der menschlichen Zivilisation ist eng mit dem Fortschritt der Naturbeherrschung
verbunden: Irgendwann, zwischen 15,000.000 und 400.000 Jahren vor heute, lernte der Mensch die
Wirkung des Feuers zu nutzen (1), eine grundlegende Voraussetzung der Technologie zur Nutzung
der Metalle. Freilich stand zuerst wohl die Wirkung des Feuers als Lichtquelle und zur Bereitung
der Speisen im Vordergrund, mit der Seßhaftwerdung um 7000 v.Chr. in der Alten Welt, um 3000
v.Chr. in der Neuen Welt, setzte die Nutzung der Kraft des Feuers für den Keramikbrand (bei 800
C) und als chemisches Werkzeug (durch Modifikation des Brandes) ein. Wohl bei zufälligen oder
beabsichtigten Modifikationen lernte man auch, daß sich Metalle nicht nur erweichen ließen,
sondern sogar schmolzen und damit gießbar wurden (*3).
Die frühesten Werkzeuge bestanden wohl aus Holz, nachweisbar war aber vor 1,5 Millionen Jahren
Stein der erste anorganische Werkstoff, der durch Schlagen die gewünschte Form als Schaaber oder
Klinge erhielt.(1). Es erstaunt nicht, daß die ersten Metalle, die flüssig verarbeitet wurden, Kupfer
(Schmelzpunkt 1083 C) und Gold (Schmelzpunkt 1063 C) waren, die beide in der Natur metallisch,
gediegen, vorkommen. Blei (Schmelzpunkt 327 C) und Zinn (Schmelzpunkt 232 C) sind zwar
leichter reduzierbar und schmelzbar, kommen in der Natur nur selten metallisch vor. Eisen, als
Meteoreisen früh verwendet. erfordert bezüglich der Erzeugungstemperatur im Rennofen (als feste
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