Prakt. Met. Sonderband 38 (2006) 17
Online Bestimmung der räumlichen Anisotropie transparenter,
er 1990 anisotroper Materialien
2000 J. Trempler, Fachbereich Physik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle
chen und
Zusammenfassung
Die messende Mikroskopie liefert neben den beobachtenden lichtmikroskopischen Unter-
suchungsmethoden eine Vielzahl von optischen Messwerten, die den Werkstoffeigen-
schaften zugeordnet werden kénnen. Die Untersuchungsmethoden der quantitativen Pola-
risationsmikroskopie im Durchlicht, wie z.B. die Bestimmung der optischen Doppelbre-
chung und des optischen Achsenwinkels optisch zweiachsiger Materialien, haben überall
dort eine überragende Bedeutung, wo in den zu untersuchenden Materialien kein Gefüge
sichtbar gemacht werden kann. Das trifft vor allem auf amorphe Kunststoffe zu. Weiterhin
zählen die meisten biologischen Materialien zu dieser Stoffgruppe. Aber auch an allen kri-
stallinen Werkstoffen und an teilkristallinen Polymeren können messende Verfahren zu-
sätzlich zu der dort oft möglichen Gefügebewertung eingesetzt werden und liefern zusätz-
lich wertvolle Informationen.
Ein Vorteil der Bestimmung optischer Daten besteht in der engen Korrelation dieser Werte
mit den Kunststoffeigenschaften und den im Allgemeinen zerstörungsfreien Prüfmethoden.
Dadurch lassen sich relativ einfach online Einrichtungen zur Charakterisierung der Produk-
te während des Fertigungsprozesses aufbauen.
1. Einleitung
Viele amorphe Materialien sind transparent und weisen im reinen, ungefüllten Zustand
kein lichtmikroskopisch auswertbares Gefüge auf. Diese Werkstoffe können vorzugsweise
im polarisierten Durchlicht untersucht werden. Die unterschiedlichen Bindungskräfte einer-
seits innerhalb der Polymermoleküle und andererseits zwischen diesen Molekülketten im
Verhältnis von bis zu 100 : 1 wirken sich durch die bei jeder Kunststoffverarbeitung auftre-
tende Anisotropie gravierend auf alle Eigenschaften des Fertigproduktes aus. Daher ist es
für den Hersteller und die Anwender von Interesse, die Molekülvorzugsrichtung und den
Grad dieser Ausrichtung nach Möglichkeit zerstörungsfrei erfassen zu können. In dem
Maße, wie es gelingt, diese Anisotropie während des Entstehens messtechnisch zu erfas-
sen und auszuwerten, besteht einerseits die Möglichkeit der kontinuierlichen online Pro-
duktüberwachung und andererseits der gezielten Erzeugniseigenschaftsbeeinflussung.
Der direkte lineare Zusammenhang zwischen der Molekülanisotropie und der optischen
Messgröße prädestiniert die messende Polarisationslichtmikroskopie für diesen Einsatz.
Werden anisotrope, transparente Werkstücke im linear polarisierten Durchlicht betrachtet,
so ergibt sich ein Bild, welches farbige Isochromaten und schwarze Isoklinen enthält.
Farbsättigung, Anzahl und Abstände der Isochromaten untereinander geben Informationen
über die Höhe der Prüfkörperanisotropie und den Gradienten dieser Anisotropie. Diese
Bilder können zur qualitativen Erzeugnisprüfung angewendet werden. Die Formteile wer-
den sofort nach oder noch während der Produktion im linear polarisierten Licht durch-
strahlt, in einer Bilddatenbank mit dem gespeicherten Bild des Sollproduktes verglichen
und entsprechend der festaestellten Qualität eingestuft und sortiert. Mit dieser verglei-