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ſation dieſer Aufführungen doch endlich der Geiſtlichkeit ihren
Einfluß darauf entwunden hatten, ſo ſehen wir, wie dort und
allenthalben die religiöſen Gebräuche mehr und mehr zu eigent-
lichen Volksbeluſtigungen umgewandelt wurden.
Hiermit machte ſi< aber auch das Bedürfniß geltend, dem
Inhalt der Spiele neue Elemente zu verleihen, durch welche ihre
Grenzen erweitert wurden. Das Symboliſche in den Stoffen der
Heiligen Schrift wies dazu den Weg, und indem man fi durch
eigene Erfindungen dem Weltlichen mehr zu nähern ſuchte, behalf
man fich zunächſt ausſchließli< mit der Allegorie. So entſtand
die an die Mirakelſpiele fih anſchließende und doh von jenen
durchaus verſchiedene Gattung der „Moralitäten." 1?)
Wenn auch die Moralitäten durch die Mirakelſpiele den
Impuls erhalten hatten, ſo können wir fte doc) in feinem Falle
als eine Fortbildung oder weitere Entwickelung der dramatiſchen
Gattung anerkennen. Die früheſten Spuren der moral-plays
reihen denn auch bi8 in die Regierungszeit Heinrich’8 VI. zurüd,
da die Myſterien und Mirakelſpiele noh nichts an ihrer Popu-
larität eingebüßt hatten.
Wenn wir einige dieſer Moralitäten näher in's Auge faſſen,
in denen ſämmtlihe Perſonen uur als Perſouificationen allge-
meiner Begriffe, der Tugenden , Laſter, Leidenſchaften u. |. w.
figurirten, ſo muß es uns begreiflich fein, daß durch dieſe Gat-
tung die Myſterien mit ihrer Fülle von Aktion uicht verdrängt
werden konnten. Auch der Teufel fand ſeinen Weg aus den
tirafelipielen in die Moralitäten; in einem ber älteſten Stücke
dieſer Gattung ſteht der Teufel an der Spiße der ſieben Tod-
ſünden, als Führer derſelben; in den meiſten Fällen aber war
dem Teufel zum Begleiter die Figur des Laſter's (the Vice)
gegeben, und dieſe Figur ſpielt in vielen der Moralitäten eine
bedeutende Rolle. Noh Ben Sonfon fpricht gelegentlich einmal
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