Full text: Immanuel Kant's sämmtliche Werke (6. Band)

54 Ueber das Misslingen aller philosophischen 
lösung entgegen: dass, obgleich diese Uebel, wenn sie als Wetzstein der sch 
Tugend vor ihr vorhergehen oder sie begleiten, zwar mit ihr als in lise 
moralischer Uebereinstimmung stehend vorgestellt werden können, wenn (gr 
wenigstens das Ende des Lebens noch die letztere krönt und das Laster uns 
bestraft; dass aber, wenn selbst dieses Ende, wie doch die Erfahrung häl 
davon viele Beispiele gibt, widersinnig ausfällt, dann das Leiden dem Se] 
Tugendhaften, nicht damit seine Tugend rein sei, sondern weil sie es Be: 
gewesen ist, (dagegen aber den Regeln der klugen Selbstliebe zuwider ern 
war,) zugefallen zu sein scheine; welches gerade das Gegentheil der Ge- 
rechtigkeit ist, wie sich der Mensch einen Begriff von ihr machen kann. 
Denn was die Möglichkeit betrifft, dass das Ende dieses Erdenlebens los 
doch vielleicht nicht das Ende alles Lebens sein möge; so kann diese ve 
Möglichkeit nicht für Rechtfertigung der Vorsehung gelten, sondern die 
ist blos ein Machtspruch der moralisch-gläubigen Vernunft, wodurch der erk 
Zweifelnde zur Geduld. verwiesen, aber nicht befriedigt. wird. Zw 
c) Wenn endlich die dritte Auflösung dieses unharmonischen Ver- Ve 
hältnisses zwischen dem moralischen Werth der Menschen und dem be 
Loose, das ihnen zu Theil wird, dadurch versucht werden will, dass man G1 
sagt: in dieser Welt müsse alles Wohl oder Uebel blos als Erfolg aus ge 
dem Gebrauche der Vermögen der Menschen, nach Gesetzen der Natur, da 
proportionirt ihrer angewandten Geschicklichkeit und Klugheit, zugleich br. 
auch den Umständen, darein sie zufälliger Weise gerathen, nicht aber de 
nach ihrer Zusammenstimmung zu übersinnlichen Zwecken, beurtheilt du 
werden; in einer künftigen Welt dagegen werde sich eine andere Ord- W 
nung der Dinge hervorthun und Jedem zu Theil werden, wessen seine all 
Thaten hienieden nach moralischer Beurtheilung werth sind; — so ist de 
diese Voraussetzung auch willkührlich. Vielmehr muss die Vernunft, ei 
wenn sie nicht als moralisch gesetzgebendes Vermögen diesem ihren SC 
Interesse gemäss einen Machtspruch thut, nach blosen Regeln des theo- ist 
retischen Erkenntnisses es wahrscheinlich finden: dass der Lauf der Pı 
Welt nach der Ordnung der Natur, so wie hier, also auch fernerhin un- 
sere Schicksale bestimmen werde. Denn was hat die Vernunft für ihre di 
theoretische Vermuthung Anderes zum Leitfaden, als das Naturgesetz ? ZU 
und.ob sie sich gleich, wie ihr vorher (No. b) zugemuthet worden, zur lo; 
Geduld und Hoffnung eines künftig bessern verweisen liesse, wie kann x 
sie erwarten, dass, da der Lauf der Dinge nach der Ordnung der Natur k. 
hier auch für sich selbst unweise ist, er nach_ebendemselben Gesetze in ei 
einer künftigen Welt weise sein würde? Da also, nach derselben, zwi- SE
	        
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