Ueber das Misslingen aller philosophischen
In dem, was beide Theile vernünfteln oder übervernünfteln, ist m
wenig Merkwürdiges, aber der Charakter, in welchem sie es thun, ver- ha
dient desto mehr Aufmerksamkeit. Hiob spricht, wie er denkt und wie fra
ihm zu Muthe ist, auch wohl jedem Menschen in seiner Lage zu Muthe so
sein würde; seine Freunde sprechen dagegen, wie wenn sie ingeheim Ve
von dem Mächtigern, über dessen Sache sie Recht sprechen, und bei dem se]
sich durch ihr Urtheil in Gunst zu setzen ihnen mehr am Herzen liegt, vo
als an der Wahrheit, behorcht würden. Diese ihre Tücke, Dinge zum eit
Sehein zu behaupten, von denen sie doch gestehen mussten, dass sie sie ein
nicht einsahen, und eine Ueberzeugung zu heucheln, die sie in der That de
nicht hatten, sticht gegen Hiob’s gerade Freimüthigkeit, die sich so weit zZ
von falscher Schmeichelei entfernt, dass sie fast an Vermessenheit grenzt, he
sehr zum Vortheil des Letztern ab. „Wollt ihr‘, sagt er,*- „Gott: ver- di
theidigen mit Unrecht? Wollt ihr seine Person ansehen? Wollt ihr de
Gott vertreten? Kr wird euch strafen, wenn ihr Personen anseht heim- g1
lich! — Es kommt kein Heuchler vor ihm.“
Das Letztere bestätigt der Ausgang der Geschichte wirklich. Denn se
Gott würdigt Hiob, ihm die Weisheit seiner Schöpfung, vornehmlich von e1
Seiten ihrer Unerforschlichkeit, vor Augen zu stellen. Er lässt ihn mM
Blicke auf die schöne Seite der Schöpfung thun, wo dem Menschen be- S
greifliche Zwecke die Weisheit und gütige Vorsorge des Welturhebers m
in ein unzweideutiges Licht stellen; dagegen aber auch auf die ab- Se
schreckende, indem er ihm Produete seiner Macht und darunter auch e
schädliche furchtbare Dinge hernennt, deren jedes für sich und seine a
Species zwar zweckmässig eingerichtet, in Ansehung anderer aber, und F
selbst der Menschen zerstörend, zweckwidrig und mit einem allgemeinen,
durch Güte und Weisheit angeordneten Plane nicht zusammenstimmend
zu sein scheint; wobei er aber doch die den weisen Welturheber verkün-
digende Anordnung und Erhaltung des Ganzen beweist, obzwar zugleich
seine für uns unerforschlichen Wege, selbst schon in der physischen
Ordnung der Dinge, wie vielmehr denn in der Verknüpfung derselben
mit der moralischen; (die unsrer Vernunft noch undurchdringlicher ist,)
verborgen sein müssen. — Der Schluss ist dieser: dass, indem Hiob
gesteht, nicht etwa frevelhaft, denn er ist sich seiner Redlichkeit
bewusst, sondern nur unweislich über Dinge abgesprochen zu haben, die
Ihm zu hoch sind _und_ die _er_ nicht. versteht, Gott das Verdammungs-
* Hich XI, 7 bis 11, 16,
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