Full text: Immanuel Kant's sämmtliche Werke (6. Band)

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nd, als Lehrer, in allgemeinen Sätzen systematisch vorzutragen m 
Stande ist, folglich auf den Namen eines theoretischen. Arztes, Land- 
irths und dergleichen keinen Anspruch machen kann. — Es kann 
also Niemand sich für praktisch bewandert in einer Wissenschaft aus- 
geben, und doch die Theorie verachten, ohne sich blos zu geben, dass 
er in seinem Fache ein Ignorant sei; indem er glaubt, durch Herum- 
appen in Versuchen und Erfahrungen, ohne sich gewisse Principien, 
die eigentlich das ausmachen, was man Theorie nennt,) zu sammeln 
nd ohne sich ein Ganzes, (welches, wenn dabei methodisch verfahren 
wird, System heisst,) über sein Geschäft gedacht zu haben, weiter kom- 
men zu können, als ihn die Theorie zu bringen vermag. 
Indess ist doch noch eher zu dulden, dass ein Unwissender die 
Theorie bei seiner vermeintlichen Praxis für unnöthig und entbehrlich 
ausgebe, als dass ein Klügling sie und ihren Werth für die Schule, (um 
etwa nur den Kopf zu üben,) einräumt, dabei aber zugleich behauptet: 
dass es in der Praxis ganz anders laute; dass, wenn man aus der Schule 
sich in die Welt begibt, man inne werde, leeren Idealen und philosophi- 
schen "’räumen nachgegangen zu sein; mit einem Wort, dass, was in der 
(U’heorie sich gut hören lässt, für die Praxis von keiner Gültigkeit sei. 
Man drückt dieses oft auch so aus: dieser oder jener Satz gilt zwar 
in thesi, aber nicht in hypothesi.) Nun würde man den empirischen Ma- 
schinisten, welcher über die allgemeine Mechanik, oder den Artilleristen, 
elcher über die mathematische Lehre vom Bombenwurf so absprechen 
wollte, dass die Theorie davon zwar fein ausgedacht, in der Praxis aber 
gar nicht gültig sei, weil bei der Ausübung die Erfahrung ganz andere 
Resultate gebe, als die Theorie, nur belachen ; (denn wenn zu der ersten 
noch die Theorie der Reibung, zur zweiten die des Widerstandes der 
Luft, mithin überhaupt‘ nur noch mehr Theorie hinzukäme, so würden 
sie mit der Erfahrung ganz wohl zusammenstimmen.) Allein es hat 
doch eine ganz andere Bewandniss mit einer Theorie, welche Gegen- 
stände der Anschauung betrifft, als mit derjenigen, in welcher diese nur 
durch Begriffe vorgestellt werden, (mit Objecten der Mathematik un 
Objecten der Philosophie;) welche letzteren vielleicht ganz wohl und 
ohne Tadel (von Seiten der Vernunft) gedacht, aber vielleicht gar 
nicht gegeben werden können, sondern wohl blose_ leere Ideen sein 
mögen, von denen in der Praxis entweder gar kein, oder sogar ein ihr 
achtheiliger Gebrauch gemacht werden würde.  Mithin könnte jener 
 HURL doch wohl in solchen Fällen seine gute Richtigkeit haben.
	        
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