Full text: Immanuel Kant's sämmtliche Werke (6. Band)

{2 Ueber Schwärmerei und 
Andere. Es war ihm schwer, Alles zu lernen und zu wissen, was der übrig 
Naturkenner weiss; daher versucht er es, auf dem leichtern Wege die Expe 
Ungleichheit verschwinden zu machen, indem er nämlich Dinge auf die Sinne 
Bahn bringt, davon Beide nichts wissen und einsehen, von denen er Wide 
also die Freiheit hat, allerlei zu urtheilen, worin es der Andere doch nichts 
nicht besser machen kann. — Von da breitet sich nun die Sucht auch sinn | 
unter Andre im gemeinen Wesen aus. moral 
Wider dieses Uebel sehe ich kein anderes Mittel, als das Vieler- Platz 
Jeilernen in Schulen auf das Gründlichlernen des Wenigern zu- 
rückzuführen, und die Lesebegierde nicht sowohl auszurotten, als 
vielmehr dahin zu‘ richten,‘ dass sie absichtlich werde; damit dem 
Wohlunterwiesenen nur das Gelesene, welches ihm“ baaren Gewinn an 
Einsicht verschafft, yefalle, alles VUebrige aber anekele. — Ein deutscher 
Arzt (Hr. Grimm) hält sich in seinen Bemerkungen eines Reisenden 
u. s. w. über die französische Allwissen heit, wie er sie nennt, auf; 
aber diese ist lange nicht so geschmacklos, als wenn sie sich bei einem 
Deutschen ereignet, der gemeiniglich daraus ein schwerfälliges System 
macht, von dem er nachher 'nicht leicht abzubringen ist, indessen dass 
eine Mesmeriade in Frankreich einmal eine Modesache ist. und. bald 
darauf gänzlich verschwindet. 
Der gewöhnliche Kunstgriff, seiner Unwissenheit den Anstrich von 
Wissenschaft zu geben, ist, dass der Schwärmende fragt: begreift ihr 
die wahre Ursache der magnetischen Kraft, oder kennt ihr-die Materie, 
die in den elektrischen Erscheinungen so wunderbare Wirkungen aus- 
übt? — Nun glaubt er’ mit gutem Grunde von einer Sache, die, seiner 
Meinung nach, der grösste Naturforscher ihrer innern Beschaffenheit 
nach eben so wenig kennt, als er, auch in Ansehung der möglichen 
‘Wirkungen derselben ebenso gut mitreden zu können. Aber der Letzte 
lässt nur solche Wirkungen gelten, die er vermittelst des Kxperiments 
jederzeit unter Augen stellen kann, indem’ er den Gegenstand gänzlich 
unter seine Gewalt bringt, indessen dass der Erstere Wirkungen auf- 
rafft, die sowohl bei der beobachtehden, als der beobachteten Person 
gänzlich von der Einbildung herrühren können, und also sich keinem 
wahren Experimente unterwerfen lassen. 
Wider diesen Unfug ist nun nichts weiter zu thun, als den anima- 
lischen Magnetismus magnetisiren und desorganisiren zu lassen, so lange 
es ihm und ändern Leichtgläubigen gefällt, der Polizei aber es‘ zu 
empfehlen, dass ‘der Moralität hiebei‘ nicht zu nahe getreten werde, 
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