Full text: Kant

den Bedingungen der Gültigkeit. Zwischen den logischen Gesetzen 
der Wahrheit und dem psychologischen Ablauf des auf die Erfassung 
der Wahrheit gerichteten Denkens besteht keine völlig eindeutige 
Wechselbeziehung. Wir haben Bewußtseinsinhalte, die wir gegen- 
ständlich zu deuten gewöhnt sind oder uns allmählich gewöhnt ha- 
ben, die aber nicht nach jeder Richtung den Gültigkeitsbedingungen 
der Wahrheit entsprechen. Die Tatsache solcher Inhalte präsentiert 
sich im Faktum der Metaphysik. Sind die Hauptthemen der Meta- 
physik bloße Phantasmen, bloße Einbildungen, die sich der nach 
Einheit des Weltbildes strebende Menschengeist seit zwei Jahrtausen- 
den nur vorgaukelt oder in welchem Sinne kommt der Seele, der Welt 
als Ganzem und Gott eine Existenz zu? Diese drei sind Gedanken- 
dinge, denn sie sind nicht erfahrbar und dennoch sind sie seit so 
langer Zeit im unbestreitbaren Besitz des Kulturbewußtseins der 
Menschheit. Wenn Kant, wie wir eingangs bemerkten, der große Be- 
wahrer des metaphysischen Gehalts seines Zeitbewußtseins ist, so 
entsteht für ihn die Aufgabe, die Seinsart und das Seinsrecht dieser 
„Gegenstände“ zu begründen. Wir stehen in der Erörterung der £heo- 
retischen Gliederung seiner Theorie des Kulturbewußtseins, es kann 
daher hier die Absicht Kants zunächst nur in der Hinsicht dargelegt 
werden, die theoretische Bedeutung dieser metaphysischen Gedanken- 
dinge, also ihren Sinn für das Erkenntnisproblem zu bestimmen und 
gleichsam zu retten. 
2. In der Tat gelingt es Kant, schon vom kritisch gefaßten Begriff 
der theoretischen Erfahrung aus, Organe zu finden, die nach den 
metaphysischen Problemen hinauszutasten vermögen. Aber wie kann 
nun gerade der Begriff der Erfahrung, dieser Verneiner alles meta- 
physischen, die Erfahrung überfliegenden Denkens, der im Brenn- 
punkt gerade der kritischen Bemühungen Kants steht, das logische 
Fundament für den Neubau der Metaphysik bilden? Es ist die Klar- 
heit und Strenge der methodischen Linien, mit denen er den Erfah- 
rungsbegriff gezeichnet hat, die ihm die Möglichkeit des Weges zeigt, 
wo die Metaphysik anheben muß, wo nicht nur dem Erkennen Gren- 
zen gesteckt sind, sondern zugleich jenseits dieser Grenzen ein Sam- 
melpunkt für eine andersgeartete Objektivität sich auftut. Die Prin- 
zipien des Erkenntnisbegriffes enthalten in sich die Möglichkeit, von 
ihren eigenen Voraussetzungen aus den Gedanken einer vollkomme- 
nen Erkenntnis zu entwickeln, der zwar grundsätzlich niemals ver- 
wirklicht werden kann, der aber als ein Ziel gedacht werden kann, 
dem die Erkenntnis immer zustreben soll. In der Korrelation von 
Qm
	        
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