Rahmen abgibt, um die Vollständigkeit der obersten Ideen verbürgen
zu können. Den tieferen Zusammenhang der Ideenlehre mit der Ge-
genstandslogik haben wir jedoch bereits aufgedeckt, indem wir die
im Ideenproblem waltende Dreiteilung aus den Bedingungen seines
Erkenntnisbegriffs abgeleitet haben. Gleichwohl dringen in diesen
zunächst theoretisch gefaßten Erkenntnisbegriff praktische Bedeu:
tungsschattierungen ein. Erkenntnis wird ihm zu einem Tun des Sub-
jekts, allerdings zu einem theoretischen Tun; aber es ist ein Tun, das
bestimmten Normen unterstellt wird, nämlich der Normgesetzlichkeit
der psychischen Ganzheit und damit einem Grundgesetz des Bewußt-
seins. Es ist kein Zufall, daß Kant als Beispiel einer Idee gerade den
Tugendbegriff hinstellt, so daß er gleichsam unmethodisch schon den
Begriff des Praktischen in die Idee einfließen läßt. Und schließlich
erklärt Kant von den Ideen selbst „daß sie vielleicht von den Natur-
begriffen zu den praktischen einen Übergang möglich machen und
den moralischen Ideen selbst auf solche Art Haltung und Zusammen-
hang mit den spekulativen Erkenntnissen der Vernunft verschaffen
können“, (III, 255.) Kant weist daher den Ideen auch einen unmittel-
baren praktischen Gebrauch zu. Sie sind regulative und nicht konsti-
tutive Prinzipien für die gegenständlichen Erkenntnisse. Mit dieser
Bestimmung lehnt er die erkenntnistheoretische Funktion im Sinne
der Kategorien für sie ab und läßt sie nur als psychologische Regeln
für die einzelnen Erkenntnisakte bestehen, um diesen im Hinblick
auf ihre gegenständlichen Bestimmungen systematische Einheit zu
verleihen. Diese Regeln sind zwar unausweichlich und daher für die
Erkenntnis unvermeidlich, weil sie mit der „Natur“ unserer Vernunft
gegeben sind, aber sie haben nicht den Notwendigkeitscharakter der
logischen Gesetzlichkeit. Sie sind Regeln, die aus der psychologischen
Tatsächlichkeit fließen, sofern unser Bewußtsein vernünftig ist und
Vernunfteinheit hat. Die psychologische Gegenwärtigkeit fordert das
Haben einer in ihren Sinnzusammenhängen kontinuierlichen Bedeu-
tungseinheit. Die Vernunft wird so zur psychologischen Einheits-
funktion aller von uns erlebbaren Inhalte, die ihre psychische Konti-
nuität untereinander verbürgt.
Darüber hinaus aber gewinnt die Vernunft als das Vermögen der
Prinzipien noch eine besondere Beziehung zum Kulturbegriff. Denn
wenn gerade die Seele, die Welt und Gott zu ihrem Inhalt gehören,
weil die Vernunft diese Ideen produziert, die ihr ja nicht in der Er-
fahrung gegeben werden können, so repräsentiert die Seele in ihrer
Freiheit und Unsterblichkeit den Persönlichkeitsgedanken als das
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