W griff der allgemeinen Gesetzgebung anscheinend eine ganz bestimmte
Definition gibt: „Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung
°h durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte.“
st (IV, 421.) Aber schon dies „als ob“ zeigt, daß das allgemeine Natur-
gesetz nur eine symbolische Ausdrucksweise bedeuten kann. Es stellt
3) nur ein Ideal dar, dem zugestrebt werden soll, wie denn die Maxime
Ss auch nicht ein allgemeines Naturgesetz sein, sondern nur werden soll.
B- Man vergesse nicht, daß Kants Begriff von der Gesetzesallgemeinheit
ur sich ihm mit besonderer Deutlichkeit im Naturgesetz geoffenbart hat.
4 Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, daß er nur den Allgemein-
SS heitsgrad des Sittengesetzes in dem Hinweis aufs Naturgesetz hat be-
MD sonders unterstreichen wollen. Von hier aus einen naturgesetzlichen
8 Sinn in die moralische „allgemeine Gesetzgebung“ hineintragen wol-
ne len, hieße, sich mit dem ganzen System Kants in einen vollendeten
6S Widerspruch setzen.
S 2. Was aber kann nun diese allgemeine Gesetzgebung und ihr
I Prinzip bedeuten? Das kantische Sittengesetz wendet sich zwar an
jeden einzelnen; aber nicht, um ihn in seinen Handlungsmöglichkeiten
von den anderen zu isolieren, sondern mit den anderen zu einer um-
% fassenden Einheit zu verknüpfen. Das Band dieser Einheit und Einig-
5 keit ist im Begriff der allgemeinen Gesetzgebung enthalten. Das Sitten-
Mt; gesetz wendet sich zwar an den Einzelnen, aber nur, um ihn zum
5 Gliede einer Gesamtheit zu machen. Aus einem „Du“, einem „Ich“
st, macht es ein „Wir alle‘. Wir alle sollen dem Prinzip der gleichen
% Gesetzgebung unterworfen sein. Kant entdeckt hier das Gültigkeits-
in prinzip der Struktur der menschlichen Gesellschaft. Es ist die Grund-
© voraussetzung aller Sozialphilosophie, daß jedes Einzelich unter den
2 Bedingungen des „Wir alle“ als Prinzip der allgemeinen Gesetzgebung
Ar steht. Wie auch diese allgemeine Gesetzgebung im einzelnen gedacht
d werden mag, sie bedeutet eine Gesetzgebung, die die Handlungen jedes
7 Individuums so zu regeln sucht, daß sie mit den Handlungen aller
n anderen zusammen bestehen können. Es ist die Regelung einer per-
a sönlichen Freiheit, die die Freiheit des Individuums mit der Freiheit
Kr der anderen in Einklang bringt. Es liegt in ihm die Aufforderung zu
b einer Gestaltung des Menschheitstuns, die zur Einigkeit und Einheit-
2 lichkeit im Handeln, aber nicht zur Gleichheit hindrängt. Die Span-
% nung in den Lebensbezügen des Einzelnen zu den allgemeinen und
m daher gleichmachenden Tendenzen des sozialen Zusammenhangs und
ke zu seinem besonderen Milieu soll durch dieses Gesetz ausgeglichen
werden. Das Recht der Persönlichkeit auf das individuelle Wollen soll
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