Full text: Kant

der systematischen Verbindung verschiedener vernünftiger Wesen 
durch gemeinschaftliche Gesetze.“ (IV, 429/433.) Diese gemeinschaft- 
lichen, auf der Vernunft gegründeten Gesetze sind im konkreten Falle 
nichts anderes als die gültigen Wertordnungen. 
Wir dürfen den Sinn des kantischen Moralgesetzes noch einen 
Schritt weiter ausdeuten, indem wir uns dem Leitfaden der sachlichen 
Systematik seines Gesamtwerkes anvertrauen, die hier wie auch sonst 
schon über die doktrinale tatsächliche Gestalt seiner Darstellung 
hinaustreibt. Kant ist nicht dabei stehen geblieben, das Prinzip des 
Kulturbewußtseins zu entwickeln, sondern er hat diesen Begriff in 
seine Hauptkategorien entfaltet. Er hat ein System der Grundsätze 
des Kulturbewußtseins entwickelt, indem er die einzelnen grund- 
legenden Kulturwerte als Gültigkeitsgebiete erweist und definiert. 
Denn er gibt ja in seinen Hauptwerken die Theorie der Wahrheit, der 
Sittlichkeit, der Schönheit und der Heiligkeit. Diese Inhaltskomplexe 
als unbedingt gültige Normen erweisen, heißt, den Begriff der Ver- 
nunft als Kulturbewußtsein nicht bloß nach seinem Prinzip, sondern 
auch nach seinem möglichen systematischen Inhalte bestimmen. Die 
Formel des Sittengesetzes kann daher jetzt dahin ergänzt werden: 
Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit die unbedingten 
Kulturwerte zum (letzten) Ziele hat. 
In seinem Spätwerke, z. B. den Metaphysischen Anfangsgründen 
der Tugendlehre, das den zweiten Teil seiner Metaphysik der Sitten 
ausmacht, läßt sich Kant über den Begriff einer „Cultur“ selbst aus. 
(VI, 391.) Wiewohl dieser Ausdruck sich nur auf die Selbstkultur, auf 
die persönliche Bildung beschränkt, so zeigt die beigefügte Erklärung, 
es handle sich dabei um „Erweiterung“ in Kenntnissen oder in 
„Kunstfähigkeit‘“, daß dieser Bildungsbegriff nur die Projektion der 
Kulturwerte auf die sich an ihnen emporbildende Persönlichkeit be- 
deutet. 
3. Immerhin kann darüber kein Zweifel bestehen, daß Kant sich 
in seinem tiefsten Werke über die Moral aus Motiven, die wir bereits 
herausgestellt haben, scheut, dem Sittengesetze Bestimmungen anzu- 
hängen, die der Analyse der tatsächlichen Einzelbestände der Kultur 
entnommen werden können. Hieraus sind seiner Gestalt des Sitten- 
gesetzes einige schwerwiegende Einwände erwachsen. Weil sich der 
das Handeln bestimmende Imperativ an jedes einzelne empirische 
Ich wendet, so muß es, hat man geschlossen, die Absicht dieser For- 
mulierung sein, das Sittengesetz nicht nur als notwendiges, sondern 
auch als hinreichendes Kriterium für jeden beliebigen Einzelfall, also 
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