Full text: Kant

n für ein Individuum in seiner jeweiligen individuellen und singulären 
t- Lage, hinzustellen. Und man wird in dieser Ansicht bestärkt durch die 
le Art, wie Kant seine allgemeine Form auf einzelne Beispiele anwendet. 
An ihnen sucht Kant zu erweisen, daß das Sittengesetz dem Indivi- 
n duum die völlig hinreichende Entscheidung an die Hand gibt, daß es 
n also den singulären Fall in völlig eindeutiger Weise moralisch zu 
st messen vermag und damit die Gesamtheit seiner möglichen morali- 
8 schen Qualitäten beherrscht. Weder die Unterschlagung eines Depo- 
2S situms, noch das Lügen eignen sich zur Maxime einer allgemeinen 
N Gesetzgebung. Beide Handlungsweisen, zur Maxime ausgebildet, sind 
ze nicht geeignet, Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung zu werden. 
{- Aus welchen Gründen? Nicht deshalb, weil dann jede Verständi- 
R gungsmöglichkeit, jedes Vertrauen aufhören würden und die Mensch- 
T heit infolge dieser Isolation des Einzelnen zugrunde gehen würde. 
e Eine solche, doch immer nur eine gewisse empirische Wahrschein- 
= lichkeit enthaltende Behauptung über einen zukünftigen Vorgang 
n wagt Kant nicht; denn dann wäre das sittliche Kriterium vom Ein- 
ie treten von Tatsachen abhängig. Vielmehr zieht er sich an diesem 
L: Punkte, seiner ursprünglichen Tendenz getreu, auf die Prinzipien 
n zurück, bezeichnenderweise auf die logischen Prinzipien. Er sucht in 
den Beispielen einen logischen Widerspruch zwischen Begriffen zu 
n konstruieren. Ich kann nicht wollen, daß die Unterschlagung des 
n Depositums allgemeines Gesetz werde, weil das Unterschlagenwerden 
8, dem Begriff des Depositums widersprechen würde. Auch das Lügen 
ıf kann nicht allgemeines Gesetz werden, weil es im Begriff der Aus- 
sagen eines empirischen Ich liegt, daß dieses seine wahre Meinung 
1 ausdrücke, wozu die Lüge im Widerspruch stehen würde. 
Auch unabhängig von den Beispielen gibt es eine Stelle in Kants 
Werken, wo er ausdrücklich den Satz vom Widerspruch als Krite- 
rium heranzieht und dabei zugleich die Methode der Verallgemeine- 
2 rung, meine Willensmaxime mit der der anderen zu identifizieren, 
3 verwirft. In der „Verkündigung des nahen Abschlusses eines Tractats 
zum ewigen Frieden in der Philosophie“ vom Jahre 1796 entgegnet 
7 Kant einem zeitgenössischen Philosophen, der das Sittengesetz mit 
empirischen Möglichkeiten verquickt: „Es ist aber offenbar: daß hier 
T nicht von einem Princip des Gebrauchs der Mittel zu einem gewissen 
pe Zweck (den alsdann wäre es ein pragmatisches, nicht ein moralisches 
Princip) die Rede sei; daß nicht, wenn die Maxime meines Willens, 
n zum allgemeinen Gesetz gemacht, der Maxime des Willens eines An- 
9 deren, sondern wenn sie sich selbst widerspricht (welches ich aus 
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