ner Handlungen lassen es deutlich erkennen. Handlungen nämlich,
die vor das Forum der sittlichen Beurteilung sollen gezogen werden
können, müssen wertbezogen sein. Allerdings genügt nicht jene theo-
retische Kulturwertbeziehung, wie sie Rickert zum Konstruktions-
prinzip des historischen Gegenstandes gemacht hat. Denn die Hand-
lung sprengt den Rahmen des Theoretischen. Für die Handlung muß
zu dem Auswahl- und Begrenzungsprinzip der Geschichte noch ein
besonderes Kriterium hinzutreten. Die Handlung muß nicht nur wert-
bezogen sein in theoretischer Bedeutung, sondern sie muß eine un-
mittelbar praktische Funktion in sich tragen; sie muß wertbar sein,
d.h. sie muß die Möglichkeit bieten, der Wertung unterzogen zu W€T-
den. Die Handlung, wie sie im Bereich der moralischen Kriterien zur
Erörterung steht, muß wertdifferent sein. Die Wertdifferenz ist es, die
es ermöglicht, aus dem Gesamtgeschehen die Handlung auszuwählen
und zu begrenzen. Es muß möglich sein, die Veränderung, die als
Handlung gelten soll, zu bewerten, sie in eine Wertskala einzureihen.
Ein gültiges Prinzip, also ein wahrhaftes Kriterium, kann diese Skala
nur dann sein, wenn sie das Rangverhältnis gültiger Werte darstellt.
Aus dem Begriff der Handlung scheidet damit alles wertindiffe-
rente Geschehen aus. Insbesondere können also alle naturkausal be-
stimmten Veränderungen niemals den Charakter von Handlungen
annehmen. Die Handlung erhält durch die Wertung etwas Typisches.
Die Fülle des Wirklichen, das sie umgibt, braucht nicht mehr in
ihren Begriff einzugehen, wenn sie nicht wertbar ist. Die Handlung
wird zu einem abstraktiv bestimmten Konkretum, wobei das Leit-
prinzip der Abstraktion der Wertbegriff ist. Auch die einzelne kon-
krete Handlung bedeutet jetzt nicht mehr das Geschehen in seiner
ganzen Fülle, in seiner unausschöpfbaren Unendlichkeit. Die Ein-
maligkeit im Sinne absoluter Unmöglichkeit der Wiederholung wird
hierdurch zunächst wenigstens preisgegeben. Jeder Wert umfaßt jetzt
die Möglichkeit einer Mannigfaltigkeit verschiedener Geschehnisse,
die als Handlungen ihm allein unterstehen. Die Bestimmung der
Handlung durch den Wert schafft bestimmte Typen von Handlungen,
z. B. die Messung der Handlungen am Wahrheitswerte ergibt als einen
negativ zu bewertenden Typ all die Handlungen, deren Wertungskern
die Lüge repräsentiert. Zu ihr gehört die Lüge des „geschäftstüch-
tigen“ Kaufmanns wie die sogenannte Gesellschaftslüge oder das be-
absichtigte und fein gesponnene Lügen- und Ehrlichkeitssystem des
Diplomaten, der für sein Vaterland in der Fremde Propaganda zu
machen verpflichtet ist usw.
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