Auffassung des achtzehnten Jahrhunderts beigetragen; doch löst
Kant nur das allgemeine und überindividuelle Möglichkeitsproblem
der individuellen Person, die zudem noch von den verdunkelnden
Schatten der Intelligibilität des Dinges an sich begleitet wird. Unser
Selbst nicht bloß als Freiheitspunkt, sondern als ein ausgedehntes
Freiheitsgebiet mit einer eigenen relativ geschlossenen Welt bleibt
seinen Analysen fern. Unser eigentümliches Selbst nämlich, das von
Individuum zu Individuum verschieden ist, bedeutet für Kant offen-
bar eine Einheit gegebener und daher naturhaft kausal bestimmter
Inhalte. Die konkrete Persönlichkeit ist der damaligen Zeit ein Inbe-
griff von tatsächlichen Maximen gegenüber den gegebenen Dingver-
hältnissen unserer Umwelt; sie ist daher von dem sie umgebenden
Makrokosmus abhängig, ein Produkt gegebener Faktoren; eine An-
sicht, die ihren allerdings extremsten Ausdruck bei Taine in seiner
Milieutheorie gefunden hat. Der Ausgangspunkt indessen für das freie
sittliche Handeln kann für Kant nicht in solcher Gegebenheit wur-
zeln, weil diese Bindung des Sollens die Freiheit aufheben müßte.
Die Freiheit denkt Kant als intelligiblen und daher überzeitlichen
Begriff statisch. Freiheit ist für ihn kein Prozeß und hat daher auch
keine Grade der Entwicklung. Sie ist schroff auf das Unbedingte
gestellt und kennt kein Paktieren mit anderen Mächten, kennt insbe-
sondere keinen Mittelweg für das Streben nach Glückseligkeit. Frei-
heit bedeutet für Kant nur das Prinzip der Persönlichkeit, ohne in-
dessen die gegebenen zeitlichen Bedingtheiten, das kulturbestimmte
Gefüge des Persönlichen mitergreifen zu können.
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