Full text: Kant

N Aufgabe, die jeweiligen Einzelmomente einer erscheinenden Gesin- 
x nung in ein gradhaft abgestuftes Rangverhältnis gemäß ihrer Bedeut- 
5 samkeit für den Grad der Sittlichkeit der zu beurteilenden Gesinnung 
iS und Handlungsweise zu ordnen. 
n Diese Betrachtung führt zu einem zweiten Grundgesichtspunkt mo- 
in ralischen Beurteilens. Selbst wenn es gelingt, eine Handlung durch den 
nn Bezug auf moralische Werte zu typisieren und somit einzugrenzen als 
nn einen einzelnen Gegenstand, so muß sie dennoch als Glied des ganzen 
lie Lebenszusammenhanges des Individuums begriffen werden. Erst der 
Vergleich und die Abwägung der Einzelhandlung mit den sonst im 
ns Einzelleben hervorgetretenen Gesinnungsfaktoren, d. i. mit der ganzen 
aß historischen. Gestalt des Individuums, gestattet die moralische Be- 
en deutsamkeit der Handlung festzustellen, sie als Ausdruck der willent- 
lichen Gesamtbetätigung, als Ausdruck recht eigentlich des intelli- 
ch giblen Charakters zu begreifen. Eine nach wissenschaftlicher Methode 
in: verfahrende moralische Beurteilung eines Individuums wird daher 
as: nicht ohne die Einordnung dieser Person in den kontinuierlichen 
en Fluß des universalhistorisch auszuwägenden Geschehens auskommen. 
ne Die Gesamtheit dieser Überlegungen drängt daher mit Notwendig- 
re keit dahin, auch diejenigen Gesinnungen und Handlungen, die auf 
nn; einen irgendwie gearteten Glückszustand des Individuums ausgehen, 
er in die sittliche Beurteilung mitaufzunehmen; aber so, daß ihr posi- 
ine tiver sittlicher Wert nur gradhaft miteingewogen wird. So gewiß das 
alt Streben nach sinnlichen Genüssen, sofern sie Endzweck sind und nicht 
en als notwendiges Mittel zur Erreichung höherer Zwecke benützt werden, 
en. sittlich abfällig beurteilt werden muß, so wenig darf dies in gleicher 
ig Weise für Glücksgefühle zutreffen, die die Menschen bei edlen Ge- 
ch nüssen geistiger Art haben und erstreben. Die Freude beim Schauen 
an oder Anhören eines großen Kunstwerkes gehört in ein anderes Reich 
‚en als die Lustgefühle bei sinnlichen Gaumengenüssen. Der edle Genuß 
_- erhebt das Individuum in das Erlebnis von idealen Kulturwerten, die 
er sich ihm durch die Gestalt des Kunstwerkes offenbaren, weil dieses 
en; selbst einen konkreten Brennpunkt von Kulturordnungen darstellt. 
[a Der Mensch bildet sich dann gemäß den Normen von idealen Kultur- 
en werten empor. Sein geistiges Selbst kommt nur beim edlen Genuß 
olg gleichsam zu sich selber, indem es sich auf seine mögliche Entfaltung 
var als Geist besinnt, sich freimachend für das Dasein nach gültigen 
ces Normen und damit die Kultur fördernd. Der sinnliche Genuß dagegen 
an erregt nur die biologisch-naturhafte Seite im Menschen, fördert ihn 
die nur in seinem naturhaft bestimmten Triebleben, in seiner natürlichen 
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