Tierheit, indem sich das Individuum den idealen Normen geradezu
entgegenstemmt, um ins Naturhaft-Instinktive zurückgleiten zu kön-
nen. Beim sinnlichen Genuß flieht das Ich aus sich selbst heraus und
gerät an die sinnliche Außenschicht des Menschen, den Leib, so daß
es unfrei und eine Funktion des Mechanismus des Leibes wird.
Von diesem abstufbaren Glücksbegriff ist der kantische verschie-
den. Kant bildet einen Glücksbegriff, der aus der naturwissenschaft-
lichen Gattungsallgemeinheit des mechanischen Gesetzes emporge-
wachsen ist, und der darum unfähig ist, die ins Unendliche gradhafte
Abstufung individueller Glückswerte in sich aufzunehmen und aus-
zumessen. Denn das Naturgesetz kennt nur die vor ihm völlige Gleich-
artigkeit der einzelnen Fälle, die es unter sich subsumiert. Es ist be-
merkenswert, daß Kants Glücksbegriff wegen seiner Einbettung in die
Naturgesetzlichkeit von der Allgemeinheit ist, die er für sein Sitten-
gesetz verlangt, obgleich er sich gerade durch den individualisierenden
Faktor am Glück dazu bestimmen läßt, das Glück für völlig ungeeig-
net zum Prinzip der sittlichen Allgemeinheit zu halten. Die Prinzipien
materialer Bestimmung des Willens dürfen eben nicht fallen gelassen
werden, wenn anders zwischen edlen und niedrigen Genüssen ein
Unterschied in der sittlichen Bewertung gemacht werden soll. Es ist
ein Irrtum Kants, wenn er es für unmöglich hält, durch eine materiale
Wertethik die Allgemeingültigkeit der moralischen Normen zu be-
gründen. Wir wissen bereits, daß es allgemein verbindliche materiale
Ziele des Handelns gibt. Die Kulturwerte sind es, die das System der
allgemeinen Gesetzgebung konstituieren. Jeder soll von seinem indi-
viduellen und einzigartigen Standpunkte aus die Mittel ergreifen, die
seiner Meinung nach am besten zur Verwirklichung der allgemein
gültigen Wertordnung hinführen. —
3. Kant denkt die auf Erden waltende Beziehung zwischen persön-
licher Tugend und persönlichem Glück als dem absoluten Zufall
anheimgegeben. Es ist nach ihm reiner Zufall, daß der Tugendhafte
glücklich wird, und das Leben des Taugenichts oder des Verbrechers
vom Unglück begleitet ist. Das irdische Dasein ist ein Jammertal, mit
dem sich auch der Tugendhafte abfinden muß. Kant hat Tugend und
Glück als gegeneinander selbständige Begriffe konstruiert, und er
muß an dieser gegensätzlichen Struktur festhalten, weil die Tugend
in die Reihe der intelligiblen Gegenstände, das Glück aber in das Ge-
biet der Erfahrungsgegenstände fällt. Immerhin sucht auch Kant die
darin liegende Ansicht von der Erbarmungslosigkeit und Ungerechtig-
keit in den persönlichen Lebensschicksalen zu mildern: Der Tugend-
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