Full text: Kant

u hafte nämlich sei durch sein Verhalten des Glückes würdig geworden. 
' Damit erwächst jetzt der Tugend wenigstens ein Anspruch auf Glück. 
4 Es ist allerdings nur ein ideeller Anspruch, der die beiden Begriffe in 
ß eine Verbindung bringt, und somit ist aus ihr keine Verwirklichungs- 
möglichkeit eines Ausgleichs zwischen Tugend und Glück auf Erden 
ableitbar. 
Kant geht aber in der Richtung der Verknüpfung von Tugend und 
Glück noch einen Schritt weiter. Allerdings wagt er ihn nicht im 
Rahmen der wissenschaftlichen Ordnungen durchzuführen, sondern 
er geht ihn auf dem Boden religiöser Metaphysik. Weil er das innere 
Getriebe der Kulturordnung nur ahnen konnte, mußte er die Glei- 
chung zwischen Tugend und Glück, die, wie bald gezeigt werden soll, 
© geradezu ein Wesensmoment der Kulturordnung genannt werden 
darf, in das Jenseits, ins Reich der Gegenstände religiösen Glaubens 
n verlegen, indem er im Begriff des höchsten Gutes die Harmonie 
= zwischen den beiden Schicksalsgrundpfeilern vollzogen denkt. Daß 
n Tugend grundsätzlich auch im irdischen Dasein belohnt werden solle, 
n leugnet Kant keineswegs, aber seiner Ansicht nach ist der tatsächliche 
n Ablauf des Weltgeschehens so beschaffen, daß er sich indifferent 
5 gegenüber dem Schicksal wertvoller Subjekte verhält, daß es keine 
€ Macht gibt, die von sich aus bewertend in das Schicksal der Indivi- 
duen eingreift. Das Geschehen der Welt als Erscheinung ist für ihn 
© das Geschehen in der Naturordnung, das sich nach den Gesetzen der 
r mechanischen Körperwelt vollzieht. Die Lebensschicksale der Men- 
; schen sind daher gegenüber ihrem durch den Bezug auf die Kultur- 
ie werte bestimmten Eigenwerte völlig indifferent. Sein Tribut an die 
n Weltanschauung des Aufklärungszeitalters zwingt Kant, die Glücks- 
tatsache den Ereignissen der Naturordnung einzureihen. Die Beloh- 
; nung der Tugend ist daher moralisch zufällig, denn das Naturge- 
u schehen ist gegenüber der Kulturordnung irrational, es ist beherrscht 
je von der Kulturzufälligkeit, und nicht von der Kulturnotwendigkeit. 
Ss Indessen ist diese radikale Auseinanderreißung von Kultur und 
it Natur schon von den Prinzipien Kants aus zu mildern. Was unbe- 
7 dingt gesollt ist, muß wenigstens relativ auch durchführbar sein und 
- nicht nur dies. Die Tatsache der Kultur zeigt, daß die moralischen 
Ordnungen wenigstens gradhaft verwirklicht sind. Greift somit bereits 
unter diesen prinzipiellen Gesichtspunkten die Ordnung nach den 
Gesetzen der moralischen Freiheit in das naturhafte Geschehen ein, 
so hat anderseits Kant selbst diesen Gedanken der Durchsetzung 
des Naturgeschehens mit den Gefügen von Freiheitsordnungen für ein 
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