vorbereiteten, Antheil nehmen zu können“. (VIII, 20.) Wenn die voll-
kommene Gerechtigkeit in der Verwaltung einen solchen Glückszu-
stand zur Folge hat, dann kann dies doch nur bedeuten, daß gerade
dem Tugendhaften dies Glück im gerechten Verhältnis zu seiner
Tugend zuteil werden wird.
Die kantische Ungleichung zwischen Tugend und Glück erhält also
unter diesen. Gesichtspunkten einen neuen Sinn, indem ihr Ausgleich
vom Himmel wieder auf unsere Erde zurückversetzt wird. Dann
macht eben Kant die Bedingungen der Kulturordnung dem Glücks-
gedanken dienstbar. Kultur steht schon als relativ verwirklichter,
tatsächlicher Zustand nicht nur unter der Norm des Kulturwertes
einer ausgleichenden Gerechtigkeit, sondern Kultur ist geradezu ein
relativ gerechter Zustand unter den Menschen als den sittlich verant-
wortlichen Individuen. In der Kultur, als deren bedeutsamste faktische
Einheiten der Staat und die Familie gelten dürfen, ist Gerechtigkeit
geradezu der Träger dieser Einheiten, der ihr Gefüge also in der ent-
scheidendsten Weise bestimmt. Mag diese Gerechtigkeit auch vielfach
nur in äußerlichen Rechtsnormen ihren sinnfälligen Ausdruck finden,
mag sie nur ein Minimum der Pflichten des Einzelnen fordern, sie ist
eine Form des Ausgleichs zwischen Tugend und Glück. Sie mag das
Moralische nur von der Außenseite ergreifen, indem sie dem bloß
Tüchtigen Erfolg und Belohnung zuteil werden läßt, unabhängig da-
von, wieweit der Tüchtige sich von moralischer Gesinnung bei seinen
Plänen und Handlungen leiten 1äßt. Immerhin stehen Tugend und
Tüchtigkeit innerlich nahe. Der Tüchtige ist immer vom Schimmer
der Tugend umkleidet. Die Kultur als gesollte Verwirklichung der
Kulturwerte muß es als Pflicht hinstellen, daß gerade der Tugend-
hafte in der Erreichung seiner Willensziele unterstützt und gefördert
werde, weil er selbst die Normen der Kulturwerte erreichen will.
Tugendhaft sein, heißt jetzt nichts anderes mehr, als eine Gesinnung
haben und ein Handeln zeigen, die nur auf die Verwirklichung der
Kulturwerte ausgehen. Das System der Kultur als die beabsichtigte
Veranstaltung der Allgemeinheit — Kant würde sagen der Natur —
fordert daher, daß durch die Allgemeinheit der einzelne Tugendhafte
in seinem Bestreben gefördert werde, also glücklich gemacht werde,
sofern und weil sein Glück im persönlichen Erreichen seiner Ziele
besteht. Dann ist bei ihm ein Zustand glückseliger Zufriedenheit ein-
gekehrt, der seiner Tugend angemessen ist. Dem großen Künstler etwa
setzt der Staat, und nicht wie in früheren Zeiten oft der einzelne ihm
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