Zeit in der Folge der Eindrücke auf einander unterschiede: denn als in
einem Augenblick enthalten kann jede Vorstellung niemals etwas an-
deres als absolute Einheit sein.“ (IV, 77.)
Kant weiß also, daß das Ich nicht nur nacheinander die Einzel-
inhalte einer gegliederten Mannigfaltigkeit der Anschauung hat, son-
dern daß dieses Nacheinander sich sogleich in einen „Augenblick“,
in ein Gegenwärtiges im Erleben zusammenfassen lassen muß, um in
gegenständlicher Weise vorgestellt werden zu können. Das Ich unter-
scheidet dabei die Zeit in der Aufeinanderfolge der Eindrücke, d. h. es
erlebt die Zeit nur als diese subjektive Ordnung der Inhalte und in-
sofern übt es eine aktive Funktion auf den subjektiven, d. h. erleben-
den Zeitverlauf aus, es gestaltet die subjektive Erlebenszeit durch
diese einzelnen Inhalte. In diesen Inhalten wird die Zeit erlebt, indem
sie sich kontinuierlich miteinander zur Einheit kraft ihrer identi-
schen Ichbeziehung verknüpfen. Das Band dieser Erlebensverknüp-
fung aber ist der Sinnzusammenhang der Inhalte. Ich erlebe fort-
während „etwas“, also etwas, das Inhalt ist und somit sinnbezogen
ist. Es ist ein fortwährendes Ablaufen von Sinngliedern, die mir in
jedem Augenblick gegenwärtig sind in der Weise, daß auch die bereits
vergangenen Inhalte sich mir im gegenwärtigen Erlebnis mitpräsen-
tieren. Erst dadurch wird dieses zu einem sinnvollen für mich ge-
macht. So findet fortwährend eine Projektion des Vergangenen in
die Gegenwärtigkeit des Erlebens statt. Beim Verstehen einer Erzäh-
lung kann der einzelne Satz nur verstanden werden, wenn man sich
zugleich dabei des Zusammenhangs mit den vorangegangenen Sätzen
erinnert, diese sich zugleich gewissermaßen symbolisch vergegen-
wärtigend. Kant hat in der ersten Auflage der „Kritik der reinen Ver-
nunft‘“ diese Prinzipien des Psychischen in seinen Begriffen von der
Synthesis der Reproduktion in der Einbildung und der Synthesis der
Rekognition im Begriffe in unzweideutiger Weise entwickelt. (IV, 77,
79.) Es ist eine völlig einzigartige Weise der Verflechtung einzelner
Gegenstände in der Zeit, die das Dasein der psychischen Gegenstände
charakterisiert. Wenn so der Sinnzusammenhang das Gefüge der
psychischen Erlebnisse bestimmt, so muß die sinnindifferente Bezie-
hung zwischen Ursache und Wirkung hier ausscheiden. Das Psychi-
sche ist nicht bloß Erscheinung, Objekt, sondern es ist erscheinendes
Ich. Die Kausalität trennt als Prinzip des Nacheinander die Gegen-
stände, die psychische Ichkontinuität aber verschmilzt das Nachein-
ander mit dem Zugleich. Der Zusammenhang der Bedeutungserleb-
nisse, und das sind schließlich alle psychischen Inhalte, läßt sich
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