Full text: Kant

Prinzipien“, aber nicht das Vermögen der Differenzierung der beson- 
deren Methoden, die Werte zu begründen und voneinander zu sondern. 
2. Gewinnt so der Primat der praktischen Vernunft unter diesem aufs 
Ich bezogenenen Gesichtspunkte eine bestimmte Beziehung zu den 
Ideen der theoretischen Vernunft, die dadurch unter die Wert- und 
Sollensstruktur treten, so tut sich auf der anderen Seite, die den Zu- 
sammenhang jener Bewußtseinseinheit mit der objektiven Kultur 
herausheben soll, eine Brücke auf, die ihn mit dem Prinzip der allge- 
meinen Gesetzgebung in der Formulierung des Sittengesetzes verbin- 
det. Denn dieses Prinzip bedeutete nach dem Buchstaben Kants eine 
formale Einheit gegenüber der Mannigfaltigkeit des Handelns, dem 
Geiste nach aber war es erfüllt zu denken mit dem System der Kultur- 
werte. Da es also den Wissenschaftswert mit umfaßt, so darf es ge- 
radezu als eine unter dem Gesichtspunkte des Gattungsartigen der 
Vernunft, der Vernunft als der Vernünftigkeit der menschlichen Ge- 
meinschaft stehende Einheit betrachtet werden, und damit gewinnt 
es die Struktur des Primats der praktischen Vernunft. Die Ideen als 
die Prinzipien der Vernunft und das Prinzip der allgemeinen Gesetz- 
gebung rücken dadurch in eine eigentümliche Verwandtschaft zuein- 
ander. Dieses Prinzip nämlich und die drei Ideen Gott, Welt und Seele 
konvergieren, von ihrer Kulturwertfunktion aus betrachtet, nach ein- 
und demselben Idealbegriff. Die Primatfunktion des Prinzips der all- 
gemeinen Gesetzgebung, der Primat der Sittengesetzlichkeit, wird 
ihrem idealen Normgehalte nach in theoretischem Gewande zur höch- 
sten Idee, zum „Ideal der reinen Vernunft‘, zum Gottesbegriff. Denn 
Gott als der Inbegriff und die höchste Einheit aller Werte ist das per- 
sonifizierte Kulturideal, und nichts anderes besagt der Primat des 
Sittengesetzes, wofern man ihn sowohl als absolute Norm alles Kultur- 
geschehens betrachtet, wie auch zugleich als die zuständliche konkrete 
Verwirklichung dieser Norm ansieht. 
Erst die Idee der Verwirklichung der ethischen Norm trägt in diese 
Ideen die Existenzforderung hinein. Und diese Forderung nach dem 
Dasein dieser in den Ideen gefaßten Gegenstände findet ihre theore- 
tische Lösung in den Postulaten der praktischen Vernunft, dem 
„moralischen“ Gottesbeweise wie den Beweisen für die Freiheit und 
Unsterblichkeit der Seele. Zugleich aber wird jetzt deutlich, daß diese 
Beweise mit Notwendigkeit aus dem Sittengesetze ihre Kraft und ihre 
Begründung ziehen müssen. Kant weiß genau, daß jene Ideen atheo- 
retische Gebilde sind, also Gegenstände, deren Gültigkeit und um so 
mehr deren Dasein sich nicht aus den Prinzipien des Theoretischen 
152
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.