beweisen lassen. Er greift daher als Beweisprinzip dasjenige atheore-
tische Sinnprinzip auf, dessen Gültigkeit für ihn am festesten steht,
d. h. dessen autonomen Gegenstandscharakter er am schärfsten und
) tiefsten analysiert zu haben glaubt und das er überdies auch tatsäch-
lich am besten fundamentiert hat, nämlich eben das Sittengesetz. Dies
Jäßt sich nicht auf dieselbe Weise durch seine eigenen Voraussetzun-
gen begründen wie das Logische. Das Logische begründet Kant aus
der logischen Autonomie des Logischen. Das Praktische aber begrün-
det er und kann er nur begründen aus der praktischen Autonomie des
Praktischen, d. h. er begründet die theoretische Autonomie des Prak-
tischen aus seiner praktischen Selbstgesetzlichkeit, und darum kann
sich das Praktische in seiner theoretischen Gültigkeit nicht nach theo-
retischer Methode selbst begründen.
Wenn daher Kant die Unsterblichkeit der Seele und das Dasein
Gottes nicht aus den Prinzipien des Theoretischen, sondern aus denen
des Praktischen begründet, so ist diese Begründung dennoch durch-
aus gemäß den theoretischen Prinzipien vollzogen. Kant selbst erklärt
ja hinsichtlich der Unsterblichkeit der Seele, daß sie ein Postulat der
reinen praktischen Vernunft sei, „worunter ich einen theoretischen,
als solchen aber nicht erweislichen Satz verstehe, sofern er einem
a priori unbedingt geltenden praktischen Gesetze unzertrennlich an-
hängt“. (V, 122.) Dieser moralische Beweis ist eben doch ein theore-
tischer Beweis, aber seinen letzten Grund, das Prinzip seiner Deduk-
tion, findet er im Atheoretischen des Sollens. Das unzertrennliche An-
hängen ist die logische Kontinuität des theoretischen Beweisverfah-
rens, die kraft der Gültigkeitsforderung des Beweises nicht gestört
werden darf. Bei aller strengen Theoretisierung des Praktischen als
eines Teilgebietes des Atheoretischen läßt Kant dennoch dem Atheo-
retischen seine Eigenstruktur. Ohne „die Anstrengung des Begriffs auf
sich zu nehmen“, wie Hegel in der Vorrede zur Phänomenologie des
Geistes sagt, kann in der Tat das Atheoretische nicht bestimmt
werden.
Die Beweisverfahren für die Unsterblichkeit der Seele und das
Dasein Gottes bauen sich auf dem Gedanken auf, daß ein sinnvolles
unbedingtes Sollen die praktische Möglichkeit voraussetzt, die ge-
sollten Wertordnungen zum Teil zu verwirklichen. Diese Verwirk-
lichungsmöglichkeit setzt aber, wenn sie als vollendete Tatsache, als
vollzogene Wirklichkeit gedacht wird, die Übereinstimmung zwischen
dem Naturgeschehen und dem Kulturprozeß voraus. Für diese Über-
einstimmung glaubt Kant eine außerhalb der Natur befindliche
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