von größerer Objektivität. Er bedeutet eine geistige Macht im Kultur-
dasein der Völker, die von leitender Bedeutung für die Objektivierung
und Veredlung der Lebensinhalte wird. Jedenfalls ist das Religiöse
und die Religion mit dieser These als ein Gebiet gekennzeichnet, das
das Gegenständliche gleichsam immer in Sehweite behält und sich
nicht auf den bloß intentionalen Bezirk psychischen Erlebens be-
schränkt.
4. Die Religionsphilosophie der Aufklärung, der Deismus, konstruierte
mit Hilfe der Methode der naturwissenschaftlichen Verallgemeinerung
in Gesetzesbegriffen einen farblosen, zunächst pantheistischen Gottes-
begriff, der der unbedingten Notwendigkeit des Ablaufs des Welt-
geschehens, das mathematisch-kausal gedacht wurde, keinerlei Ab-
bruch tun durfte. Gott schwebte daher in unbestimmter Allgemeinheit
über der Welt in der kalten Sphäre des Gesetzes, ohne persönliche
Individualität zu sein und die Gesetzlichkeit der Welt beeinflussen zu
können. Diese Weltenferne Gottes beseitigt nun Kant auf das Gründ-
lichste, indem er ihn in engste personenhafte Verknüpfung mit jedem
einzelnen Individuum kraft des Sittengesetzes bringt und ihn damit
selbst als Personalität fordert. Erst dadurch gewinnt der metaphy-
sische Gott die Farbe religiösen Erlebens. Hier kommt wieder einmal
der mystische Hintergrund seines Systems zum Durchbruch. Das
mystische Gotterleben beruht auf der innigsten personhaften Vereini-
gung der Seele mit Gott. Die Realität Gottes hatte er auf metaphysi-
schem Wege soweit sicher gestellt, wie sich der Beweis des Daseins
Gottes nur irgend mit seiner theoretischen Philosophie vertragen
konnte. Kulturtheoretisch betrachtet, erweist Kant den persönlichen
Gott in seiner Existenz als notwendig für die Einheit des Kultur-
bewußtseins. Seine Postulate der praktischen Vernunft sind nichts
anderes als Forderungen, die von der bewußtseinsmäßigen Einheit der
Kultur gestellt werden. Es ist ein Weg, den später Siebeck in seiner
Religionsphilosophie mit größerer Bewußtheit und umfassenderen
Mitteln gegangen ist. Sein Weg dürfte aber auch die einzige Methode
sein, mit der man in vorurteilsloser Weise die Gültigkeit überhaupt
von religiösen Gegenständen wie auch den besonderen Charakter
dieser Gültigkeitsart beweisen kann.
Von hier aus erklärt und begründet sich die Methode Kants, Religion
nur innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft zum Gegenstande der
Betrachtung zu machen. Mit nichten liegt hierin, wie der konfessio-
nelle Standpunkt immer wieder gegen Kant geltend zu machen ver-
sucht hat, eine rationalistische Vergewaltigung des Irrationalen in der
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