heitspunkt für Kants Denken zu gewinnen. Als diese sein Lebens-
werk zur systematischen Einheit formende Funktion soll sich der
Zusammenhang zwischen den Kulturwertnormen und der verstehen-
den Psychologie erweisen. Sie schließt das Problem in sich, Kants
System als eine Einheit darzustellen, die sich in der überindividuellen
Bewußtheit von den Kulturwerten aufbaut. Kant soll damit in die
Lebensnähe der Spannungen und Ausgleichsversuche gerückt werden,
die das geistige Kulturleben der Gegenwart aus sich hervortreibt.
Von diesen Fragestellungen her möchte dieser Versuch über Kants
Lebenswerk seine Rechtfertigung gewinnen. Sein System in extenso
darzustellen, liegt nicht in seiner Absicht; aber er will zu einer mög-
lichen Stellungnahme zum System als einer geschlossenen Einheit
beitragen und anleiten. Nicht nur an die Fachwelt, auch an breitere
Kreise der deutschen Bildung, die sich nicht auf ein Spezialstudium
Kants einlassen können und wollen, die aber doch auf eine in tiefere
Fragestellungen eindringende streng wissenschaftliche Darstellung,
die zugleich einen einheitlichen Überblick über das Ganze zu gewäh-
ren vermag, nicht verzichten möchten, wendet sich daher dieser
Versuch.
Auf ausgiebige Literaturhinweise habe ich daher geglaubt verzich-
ten zu dürfen; meist ist im Interesse der Methode wissenschaftlicher
Begründung nur auf Kant selbst verwiesen; zugrunde gelegt ist über-
all der Text der Akademieausgabe.
Es versteht sich von selbst, daß die größeren Kantdarstellungen,
insbesondere die den Zusammenhang mit dem Kulturproblem in den
Vordergrund rückenden Werke von Kühnemann, Rickert, Simmel
und Wundt, Stützpunkte hergegeben haben.
Das Buch von H. Rickert, Kant als Philosoph der modernen Kultur,
1924, sucht sein Denken lediglich in seiner Beziehung zur gegenwär-
tigen Kulturepoche, also gerade „nicht mit Rücksicht auf seinen über-
zeitlichen Gehalt‘, darzustellen.
Dem Herrn Verleger schulde ich für mancherlei Entgegenkommen
besonderen Dank.
Breslau, im Juli 1927.
R. KYNAST.