leben der Kultur überbrückt. Natur wird das Mittel, dessen sich der
Mensch bedienen soll, um Sittlichkeit zur Erscheinung werden zu
lassen. Der Weltprozeß ist die Selbstoffenbarung des sittlichen. Geistes.
Wir stehen nahe bei Hegel, der diese Zweckbeziehung in die objektive
Ebene seiner dialektischen Methode aufgelöst hat. Gott hat die Welt
produziert, um an ihr sich selbst als höchstes Gut zu offenbaren. „Hat
die Schöpfung überall einen Endzweck, so können wir ihn nicht an-
ders denken, als so, daß er mit dem moralischen (der allein den Be-
griff von einem Zwecke möglich macht) übereinstimmen müsse.“
(V, 453.)
Kultur ist, das hatten die einleitenden Betrachtungen bereits darge-
tan, ein Gewordenes, d. h. ein in Freiheit gebildeter Zustand, der ohne
seine Geschichte nicht zu verstehen ist. Gewiß sind die ihn bildenden
Richtungsmomente vielfach die ganz subjektiven Zwecke der einzel-
nen Individuen, die meist auf persönliches Glücksstreben hinauskom-
men. Aber über diesen individuellen Zwecken bauen sich, oft unge-
wollt, objektivere Gebilde, deren höchsten Grad wir in den Kultur-
zwecken erkannt hatten. Für Kant entsteht am Ende seiner kritischen
Grundlegungen der einzelnen Kulturwerte die Aufgabe, sie nunmehr
zu einer allumfassenden Einheit zusammenzuschließen. Gemäß sei-
nem Primat der praktischen Vernunft, der nun jetzt erst in seiner
vollen Weite und Tiefe aufbricht, stellt Kant normativ die Natur unter
die Kultur; auch die Natur muß jetzt an der teleologischen Struktur
der Kultur teilnehmen im einzelnen wie als Ganzes. Die Welt wird
dann erst als eine Ganzheit begreiflich, es läßt sich hineinleuchten in
die Beziehungen zwischen dem Innersten und Besondersten und dem
Allgemeinsten, dem All; nun erst wird die Welt als Ganzes verstehbar.
Es ist nicht ein Begreifen, sondern ein Verstehen im Sinne der ver-
stehenden Psychologie. Man versteht Inhaltszusammenhänge am
besten, wenn sie dem eigenen Bewußtsein am nächsten stehen, wenn
sie von einem Bewußtsein produziert sind. Kant weiß um diese Ana-
logie- und Verstehensfunktion gerade im Hinblick auf die Zweckvor-
stellungen. In der Gelegenheitsschrift „Über den Gebrauch teleologi-
scher Prinzipien in der Philosophie“ sagt er: „Zwecke haben eine ge-
rade Beziehung auf die Vernunft, sie mag nun fremde, oder unsere
eigene sein. Allein um sie auch in fremde Vernunft zu setzen, müssen
wir unsere eigene wenigstens als ein Analogon derselben zum Grunde
legen: weil sie ohne diese gar nicht vorgestellt werden können‘ (VII,
182). Die Welt wird als Ganzes verstehbar, sofern sie von einem Ver-
stand produziert ist, weil dann in ihr alles bis ins einzelne nach Mit-
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