Full text: Kant

Gestaltens liegende praktische Funktion. Hier tritt der Zweck von 
seiner Subjektivität auf die Höhe des objektiven Kulturwertes. Hier 
gewinnt er eine konstitutive Bedeutung, nämlich für die Einheit des 
Kulturbewußtseins. Diese praktische Bedingung, die der Zweck als 
Einheitsband zwischen Natur und Kultur stiftet, ist getragen vom Ge- 
danken des Endzwecks als des höchsten Gutes, wie wir bereits er- 
kannten. Soll sich Natur auch im praktischen Sinne dem ideenhaften 
Gefüge der Kultur anpassen, so muß sie selbst von sich aus, minde- 
stens als Ganzes, so betrachtet werden können, daß sie einen End- 
zweck setzt. Es muß ein Endzweck für sie selbst sein, den sie inner- 
halb ihrer selbst verwirklichen kann und verwirklicht. Zwecke setzen 
kann aber nur der Mensch. Mithin muß der Mensch sich einen Zweck 
setzen können, den die Natur mit ihren Einrichtungen wenigstens 
relativ verwirklicht. Dieser Zweck aber ist die eigene Glückseligkeit. 
Die Glückseligkeit des Individuums also ist der letzte Naturzweck, den 
sich der Mensch setzen kann. Doch kann er mit dieser Selbstbestim- 
mung nicht immer Endzweck bleiben; denn damit macht er sich nur 
zum Durchgangspunkt von Kausalreihen, ist er ein Naturgegenstand 
neben den anderen und kann somit auch zum bloßen Mittel für die 
Erhaltung der Zweckmäßigkeit der übrigen Glieder in der Natur 
werden. 
Nur wenn er zugleich seinem Willen Zwecke setzt, die unabhängig 
von der Natur sind, kann er Endzweck der Natur bleiben. Man sieht, 
wie Kant durch diese Bestimmung die „sinnliche‘“ Natur mit dem 
übersinnlichen Freiheitszustande verknüpft. Die Natur „ist die Mate- 
rie aller seiner Zwecke auf Erden, die, wenn er sie zu seinem ganzen 
Zwecke macht, ihn unfähig macht, seiner eigenen Existenz einen End- 
zweck zu setzen und damit zusammen zu stimmen“‘. Es bleibt daher 
nur übrig, „die Natur den Maximen seiner freien Zwecke überhaupt 
angemessen als Mittel zu gebrauchen, was die Natur in Absicht auf 
den Endzweck, der außer ihr liegt, ausrichten und welches also als 
ihr letzter Zweck angesehen werden kann“. (Bei Kant fehlt die 
Kursivform.) Und nun fährt Kant bedeutungsvoll fort: „Die Her- 
vorbringung der Tauglichkeit eines vernünftigen Wesens zu beliebigen 
Zwecken überhaupt (folglich in seiner Freiheit) ist die Cultur. Also 
kann nur Cultur der letzte Zweck sein, den man der Natur in An- 
sehung der Menschengattung beizulegen Ursache hat (nicht seine 
eigene Glückseligkeit auf Erden, oder wohl gar bloß das vornehmste 
Werkzeug zu sein, Ordnung und Einhelligkeit in der vernunftlosen 
Natur außer ihm zu stiften).‘“ (V, 431.) 
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