dieser Sachverhalt bei Kant besonders deutlich bemerkbar. Den Pro-
zeß des diskursiven Erkennens der Gegenstände der Erfahrung, in
den die Korrelation zwischen Begriff und Anschauung ausgeht, macht
Kant zu einem niemals abbrechenden, so daß das Unendliche im
Fortgang jeder Wissenschaft mit Notwendigkeit hieraus folgt. Aber
vor der Logik macht dieser Erkenntnisbegriff Halt. Die Logik sieht
Kant als gegeben, als abgeschlossen an, jedoch nicht im Sinne eines
faktisch abgeschlossenen Bestandes, sondern als bedingt durch das
Absolute, das keinen Prozeß mehr in seiner Vollendetheit duldet*.
Wir hatten im vierten Kapitel dieses Verhalten Kants als einen
dogmatischen Rest in der kritischen Analyse bezeichnet. Jetzt wird
der tiefere Grund desselben deutlich. Er kommt von der notwendigen
Interferenz zwischen unserem und dem absoluten Verstande her. Jedes
Urteil, jeder Begriff hat inbezug auf seine Eindeutigkeit eine Doppel-
funktion, die aus der Doppelbeziehung jedes Inhalts auf das Ich und
das Urteil herrührt. Jeder Begriff muß erlebbar sein und ist daher
insofern für unseren Verstand relativ abgeschlossene Ganzheit. Jeder
Begriff muß unserem Bewußtsein als Sinnganzheit gegenwärtig sein
können. Diese psychische Gegenwärtigkeitsbedingung „unseres“ Ver-
standes stellt daher eine Forderung der Erlebbarkeit dar, die dem Be-
griff, als Produkt der logischen Urteilsgesetzlichkeit angesehen, ge-
rade nicht zukommen kann. Denn als Inbegriff von Relationen ist er
niemals vollendbar, steht er immer im Prozeß, ist er nie Bestimmtheit,
sondern stets nur Bestimmung. Das heißt, die psychische Bedingtheit
des Begriffs heftet ihm eine absolute Bestimmung an. Dies gilt für
die ganze Gesetzlichkeit des Begriffs, die sich damit einer dialektischen
Methode unterwirft; und da in ihr sich die ganze „formale“ Logik
präsentiert, so gilt diese Interferenz zwischen Diskursivem und Abso-
lutem für die ganze Logik und überhaupt für jegliche Erkenntnis, ja
sie gilt für die ganze Vernunft überhaupt. Auch das Bewußtsein der
Kulturwerte setzt diese als Ganzheiten und damit als Absolutes inbe-
zug auf unsere Vernunft. Kant spricht denn gerade auch in seiner
Logik vielfach von der „logischen Vollkommenheit‘“ der Erkenntnisse
(IX, 40 ff., 140 ff.). Er entwickelt nach dem Kategorienschema eine
Reihe von Vollkommenheitsbedingungen der Erkenntnis, die für die
Erkenntnis des Formallogischen seiner Meinung nach in weitgehen-
dem Maße bereits erfüllt sind durch den tatsächlichen Bestand der
Logik. Schließlich darf nicht vergessen werden, daß auch das Kate-
gorienschema selbst nach Kants Meinung den Verstand vollständig
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