Full text: Kant

lichen, der menschlichen Vernunft. Die innere Verknüpfung aber der 
theoretischen und praktischen Reihe fehlt noch, und außerdem läßt 
die Welt der Werte den religiösen und ästhetischen Wert vermissen. 
Es bedarf eines neuen Einheitsprinzips, das aber nun die in ihren 
Prinzipien erschöpfend dargestellte Philosophie als Wissenschaft 
nicht mehr leisten kann. Die Psychologie und durch sie die Meta- 
physik müssen zu Hilfe kommen, um diese Einheit in der Ebene des 
Bewußtseins zustande zu bringen. 
3. Kant bedient sich zweier Methoden für diese Verknüpfung. Die 
eine bewegt sich immer noch in der Ebene des Wissenschaftsbegriffes, 
die andere ist metaphysisch. Zugleich beginnt die endgültige Rück- 
wendung der Sehrichtung der Analyse. Die Vernunft betrachtet nur 
noch sich selbst. Die Analyse des Kulturbewußtseins beginnt, indem 
es sich auf das in sich koordinierte Gebäude der Philosophie als hier- 
archische Spitze aufsetzt. Daher liegen die konstitutiven Elemente der 
Kunst in der Vernunft selbst, in dem ihr angemessenen Spiel der Er- 
kenntniskräfte. Die produktive Einbildungskraft des Genies schafft 
sich die Anschauung selbst, der sie im Kunstwerk begriffsbezogenen 
Sinn verleiht. In der Kunst geht das Allgemeine mit dem Besonderen 
eine Verknüpfung ein, die in der Ebene des Bewußtseins am endlichen 
Gegenstande die Bedingungen zu erfüllen sucht, die dem absoluten 
Verstande seine Intuition vorschreibt. Als Symbol des Guten stellt sich 
das Schöne unter die Sollensbedingungen und erweist sich so als 
objektiver Wert, d. h. als Kulturwert. Innerhalb des Kulturbewußt- 
seins ist die ästhetische Anschauung die eine Möglichkeit, Natur und 
Freiheit in einer einheitlichen Wertewelt anzuschauen. 
Schließlich gehen die Analysen der Religion bei Kant ebenfalls 
darauf aus, vor allem den eigentümlichen Gültigkeitswert des reli- 
giösen Gegenstandes sicherzustellen, dessen Zugehörigkeit zum System 
der Kulturwerte hierdurch bewiesen ist. Weitet man den moralischen 
Wert zum Vertreter der Gesamtheit der objektiven Werte aus, so er- 
faßt Kant im Begriff des höchsten Gutes die höchste Steigerung der 
Wertgesamtheit, die wir als Kulturideal deuten durften. Dieser objek- 
tiven, den Zustand der menschlichen Gesellschaft normierenden Seite 
des Wertproblems entsprechen auf der subjektiven Seite die regu- 
lativen Funktionen der Vernunft, die drei Ideen von Gott, Freiheit 
und Unsterblichkeit der Seele. Damit findet Kant auch für die Welt 
des Moralischen die Verknüpfung zwischen der Allgemeinheit des 
Sittengesetzes und der Besonderheit des Individuums, sofern die indi- 
viduelle Unsterblichkeit an den besonderen moralischen Prozeß, den 
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