1 tiven aus analysiert wird, so wenig kann daran gezweifelt werden,
daß das architektonisch-symmetrische Schema der Einteilung der
Urteilsarten und damit der Methoden gegenständlicher Bestimmung
aus der geschlossenen Gestalt der formalen Logik übernommen ist,
und Kant weist in stolzer Entdeckerfreude gerade auf die erreichte
Vollzähligkeit der Kategorien hin, die für ihn den Beweis enthält, daß
es ihm gelungen ist, den Verstand vollständig nach allen Richtungen
hin ausgemessen zu haben. (III, 83f.) Diese logische Einheit des
Systems der apriorischen Wahrheiten ist dogmatisch und daher nicht
dem überzeitlichen Bestande seiner Philosophie einzurechnen.
Das System der Kategorien und der Grundsätze des reinen Ver-
standes steht unter den Bedingungen des unabschließbaren Prozesses
der Erkenntnis ebenso wie die Erfahrungserkenntnis selbst. In Wahr-
heit also liegt das Apriori, das Thema der transzendentalen Logik, tief
versponnen in dem unregelmäßigen, sich stets weiter auswickelnden
Gewebe unserer Wissenschaften und kann nur durch eine niemals zu
Ende führende Analyse, die der Verbesserung und Abänderung dau-
ernd unterworfen bleibt, allmählich herausgelöst werden. Neben der
Allgemeinheit und Notwendigkeit der überzeitlichen Problemstellung
des Apriori steht die relative und immer nur graduelle Wahrheit der
; Entfaltung in die einzelnen Feststellungen. Die wahre letzte Einheit
der Erkenntnis liegt in einer höheren Ebene, in der Vernunftgesetz-
lichkeit, und es ist gerade das dynamische Prinzip der Erkenntnis,
das diese Einigkeit vom Plane der Vernunft herstellt. Im Ich und
seiner gegenständlichen Funktion entdeckt Kant die letzte Vernunft-
einheit, auf sie zieht sich die Einheit des Weltbildes zurück und über-
läßt die unendliche Erkenntnis der Welt der Unruhe eines grenzen-
losen Weiterschreitens.
2. Die Darstellungsweise des erkenntnistheoretischen Hauptwerkes
spiegelt in ihrer wenig übersichtlichen und die früheren und späteren
Gesichtspunkte der Gedankenentwicklungen durcheinanderflechten-
den Art diesen Kampf der Stilprinzipien wieder. Über diese Gegensätz-
lichkeit legt sich aber noch ein weiterer Antagonismus von Motiven,
der den ganzen Gedankenaufbau mitbeherrscht und noch mehr ver-
wickelt. Raum und Zeit erkennt Kant als die allgemeinen Ordnungs-
formen, denen jeder Empfindungsinhalt sich eingliedern muß, um als
Bestimmungsprinzip für einen wirklichen, d.h. daseienden Gegen-
stand gelten zu können. Zugleich ist die Mathematik unstreitig das
System von Bedingungen, das den quantitativ gefaßten Gegenstand
der naturwissenschaftlichen Erfahrung bestimmt. Mithin ergibt sich
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