Full text: Kant

Ich die Möglichkeit, jeden Inhalt zu denken. Inhalte, die ich nicht 
denken kann, sind keine Inhalte. Das Können darf hier in zweierlei 
Bedeutung genommen werden, einmal als theoretische, als prinzipien- 
hafte Möglichkeit und ferner als empirische Möglichkeit. Uns ist es 
um die erstere Bedeutung vornehmlich zu tun. Das Ich ist daher die 
theoretische Bedingung für alle meine und zugleich für alle möglichen 
Inhalte. Jedes empirische, tatsächliche individuelle Ich ist Bedingung 
nur für einen Ausschnitt aus diesen Inhalten. Denn es kann immer nur 
eine endliche Mannigfaltigkeit von den möglichen Inhalten erreichen. 
Es ist irgendwo im Raume und in der Zeit. Das theoretische Ich da- 
gegen, das transzendentale Ich steht nicht unter diesen Bedingungen 
des Tatsächlichen. Diese Ichheit, wie es zur Hervorhebung seines 
Prinzipiencharakters genannt sei, ist logisch vor der Gültigkeit jeder 
einzelnen Erfahrungstatsache gelegen. Sie ist Bedingung für alle Er- 
fahrung, da sie Erlebnisinhalte voraussetzt. Die Ichheit ist Gültigkeits- 
voraussetzung für jeden Gegenstand überhaupt, insbesondere für den 
Gegenstand der Erfahrung. 
Mit dieser unzerreißbaren Beziehung des Gegenstandes auf die 
Möglichkeit des Erlebens richtet Kant den denkbar stärksten Wall 
gegen die Dinge an sich, gegen das Unerkennbare auf. Um sich als 
Gegenstand, d. i. aber bei Kant als daseiender Gegenstand ausweisen 
zu können, muß er möglicher Inhalt von Empfindungserlebnissen 
sein. Was für unser erkennendes Ich nicht die Möglichkeit sinnlichen 
Erlebens besitzt, ist kein wirklicher Gegenstand. Allerdings erhalten 
dabei der Inhalts- wie der Gegenstandsbegriff eine zu enge Fassung. 
Kant mußte bei der Bestimmung des Begriffs der möglichen Inhalte, 
die als gegenständlich erkannt werden können, von den tatsächlich 
damals erkannten Gegenstandsgebieten ausgehen, so daß sich ihm die 
damaligen tatsächlichen Grenzen dieser Gebiete ganz von selbst auch 
als theoretische Grenzen der Begriffswelt aufdrängen mußten. Die 
möglichen Inhalte sind daher an den Bereich der damals möglichen 
wissenschaftlichen Erfahrung geknüpft, d. h. an den Bereich der Ma- 
thematik und Naturwissenschaften. Gegenstand sein muß heißen, 
Gegenstand möglicher wissenschaftlicher Bestimmung sein, aber diese 
wissenschaftliche Bestimmung kann für Kant nur bedeuten, mathe- 
matisch-naturwissenschaftlicher Gegenstand sein. Denn auf diesem 
Gebiete lag die augenfälligste und anerkannteste Tatsache des wissen- 
schaftlichen Gegenstandes vor. Diese Einengung des Gegenstands- 
gedankens war zugleich, wie wir schon zeigten, durch seine Stellung 
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