Full text: Kant

Kategorien hat sich eine Kluft aufgetan, die nicht durch das Verfah- 
ren der transzendentalen Deduktion überbrückt werden kann. Die 
formallogischen Kategorien sind überhaupt nicht dieselben wie die 
transzendentalen. Es ist daher überhaupt fraglich, ob die formal- 
logischen Kategorien als Kategorien, die der allgemeinen Urteilsfunk- 
tion nachzuordnen sind, angesehen werden können, ob sie nicht viel- 
mehr zu den Prinzipien des Urteils überhaupt zu stellen sind. In der 
Tat sind es ganz verschiedene Begriffsysteme, so daß es im Hinblick 
auf die formallogischen Kategorien zweckmäßiger ist, von logischen 
Prinzipien zu sprechen im Gegensatz zu den gegenständlichen Kate- 
gorien. 
So scheint also die formale Logik an diesem einen Zentralpunkte 
des kantischen Erkenntnisbegriffs zu einer höchst unheilvollen und 
folgenschweren Bedeutung für ihn anzuwachsen. Denn Kants Durch- 
führung der transzendentalen Methode ist an dieser Stelle jedenfalls 
zertrümmert. Ist das Kategoriensystem ohne inneren Zusammenhang 
mit der formalen Logik, dann ist die Vollständigkeit des Systems da- 
hin und, was schlimmer ist, die Gültigkeit der Kategorien ist gleich- 
falls in Frage gestellt, denn es existiert kein Kriterium mehr, ob es die 
„richtigen“ Kategorien sind. 
7. Nun stehen aber die Grundsätze des reinen Verstandes ın ge- 
nauem Zusammenhang mit der Tatsache der Mathematik und der 
Naturwissenschaften. Die mathematische Quantität des ersten Grund- 
satzes des reinen Verstandes ist ein Begriff, der mit dem Tatbestahde 
der Mathematik gegeben ist. Es kann daher keinem Zweifel unter- 
liegen, daß Kants Denken unter verschiedenen Gestaltungsmotiven 
gestanden hat, daß er einer äußeren und einer inneren Systematik 
gefolgt ist. Kant deduziert, indem er analysiert. Er deduziert aus der 
formalen Logik, indem er den Tatbestand der gegebenen Wissen- 
schaften von der Natur analysiert. Die äußere Systematik hat sich als 
unhaltbar erwiesen. Die innere Systematik aber läßt sich dahin be- 
stimmen, daß die Kategorien als das Ergebnis der logischen Analyse 
der Bedingungen des Erfahrungsgegenstandes in Mathematik und 
Naturwissenschaften anzusehen sind. 
Seine transzendentale Methode aber — und dies ist die Hauptsache 
_— wird in ihrem Kernpunkte durch diese Feststellung nicht erschüt- 
tert, sondern umgekehrt erst befestigt im Sinne eines überzeitlich Gül- 
tigen. Denn nun streift sie die historische Bedingtheit und Gebunden- 
heit an den damaligen Bestand der formalen Logik ab und steht den 
Tatsachen der Wirklichkeitswissenschaften völlig frei gegenüber. Die 
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