Full text: Kant

Dieses Gestalten bestimmt sich näher durch den Begriff des Tech- 
nischen. Die Technik ist ein Gestalten der Naturmaterie nach mensch- 
lichen Zwecken als den die Reihe der Mittel bestimmenden Ganz- 
heiten. Diese Reihe der Mittel aber ist bedingt durch die Naturkausa- 
lität und die speziellen Naturgesetze, Es tritt hinzu der Gesichtspunkt 
des kleinsten Aufwandes an Kräften verschiedenster Art. Die ein- 
deutige Verknüpfung von Mitteln und Zwecken aber ist nur möglich 
unter der Bedingung der Einsicht in die Naturgesetze und deren Gül- 
tigkeit. Es ist der Wissenschaftsgedanke des pragmatischen voir pour 
prevoir, nach dem Ausdruck Comtes, der hier seinen systemhaften 
Ort findet. Die letzten objektiv gültigen Zwecke aber sind die Kultur- 
werte. Die Kulturgüter bedeuten nur die Mittel dazu. Darum ist die 
Erreichung, die relative Verwirklichung der Kulturwerte nur auf dem 
Wege der Schaffung von Kulturgütern möglich. Diese aber ist an 
Erkenntnis der Naturordnung gebunden. Im Eudämonismus werden 
die Kulturgüter zu Selbstzwecken erhoben, der wegen der Subjek- 
tivität der Zwecke nicht zur Kultur hinführen kann. Kant entdeckt 
also in dem Grundsatze der Quantität den letzten Grund für die 
Gleichförmigkeit des Naturgeschehens. Diese aber ist die wesentliche 
Bedingung dafür, daß die Natur das Material sein kann, das im Kultur- 
prozeß geformt wird. Kant entdeckt die Natur als das Material des 
werterzeugenden sittlichen Kulturtuns. 
Kant ist nicht bei dem Gültigkeitsbeweise der reinen Mathematik 
stehen geblieben, sondern die Gültigkeit der auf die Naturwissen- 
schaften angewandten Mathematik ist ein Hauptpunkt seines Kate- 
gorienproblems. Wenn Kant die Gültigkeit der Anwendungen der Ma- 
thematik bewiesen hat, so ist ihm damit der Nachweis der Gültigkeit 
der Technik, der Möglichkeit der Technik gelungen, der Technik im 
weitesten Sinne, nämlich als Mittel zur Kulturverwirklichung. Es 
liegt darin nichts anderes als der bedeutsame Beweis für die Gültigkeit 
der Kulturmittel, für die theoretische und praktische Möglichkeit der 
Kultur. Natur ist nicht die bloß zu erkennende kalte, zahlhafte Ord- 
nung der Dinge, die draußen jenseits alles Seelisch-Ichhaften steht, 
sondern sie ist das Medium, in dem allein die Kulturseele gedeihen und 
wachsen kann. Kultur und Natur sind korrelativ, sie fordern sich 
gegenseitig, und der Entdecker dieser Korrelation ist Kant. Die Be- 
trachtung seiner Moralphilosophie wird diese Seite seines Natur- 
begriffs deutlicher machen. 
11. Aber hat sich nicht Kant gerade dadurch, daß er die Natur- 
wirklichkeit vornehmlich analysiert, den Weg zur Kulturwirklichkeit 
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