196 II. Das Buch und seine Teile
Auf die anderen Staaten nahm man wenig Rücksicht. Jedes
Land verbot, was ihm und seinen Einsetzungen widersprach,
wenn auch der nächste Staat vielleicht gar keinen Anstoß daran
nahm und das Werk ohne Bedenken drucken und erscheinen ließ.
Das gilt besonders für Italien und für Deutschland, wo die Viel-
staaterei und — in den deutschen Gebieten — die Verschiedenheit ;
der Staatsreligion ganz natürliche Gegensätze schuf.
Ein einheitlich regiertes Land war vor allem Frankreich, wo die .
Zensoren, die Mitglieder der Universität, nicht nur die erschiene-
nen Bücher und die aus der Fremde eingeführten Werke auf ihre
Schädlichkeit prüften und eventuell verdammten, sondern auch .
Präventivpolizei übten und kein Buch erscheinen ließen, das nicht £
schon vorher die Druckerlaubnis erhalten hatte. Das Druckprivi-
legium, das ursprünglich ein Schutz der Verleger gegen fremden ;
Nachdruck gewesen war; wurde jetzt ein Mittel, das Buch vor
nachträglicher Konfiskation und Verbrennung, den Autor und
Verleger vor Exkommunikation und gerichtlicher Strafe zu be-
wahren.
Auf den Buchhandel waren die Wirkungen der Zensur ziemlich {
lähmend, insbesondere, was die Einfuhr und den Handel mit “u
fremden Büchern betrifft, da viele Bücher, die aus anderen Län- Sl
dern eingeführt wurden und bezahlt werden mußten, die nach-
trägliche Prüfung nicht bestanden. Fördernd wirkte der Index be- b
sonders in Holland und den protestantischen Gebieten, wo man, C
wie schon bemerkt, eifrig nachdruckte, was der katholische Index ic
verbot. k
Kümmerte sich die kirchliche Zensur vorwiegend um Bücher, V
die den Glauben und die Lehren der Kirche betrafen, so hatte E
der Staat und seine Sicherheitsbehörde, die Polizei, die Aufgabe, St
jeden Angriff auf die Verfassung und die Person des Staatsreprä-
sentanten zurückzuweisen. Ein frühes Beispiel dieser weltlichen H
Zensur aus der Neuzeit ist die Beanstandung und Unterdrückung
von einigen Versen im Tasso. In der Ausgabe von Torquato
Tassos Gerusalemme conquistata, Parigi, Abel l’Angelier 1595 in H
12° wurden drei Stanzen im 20. Gesang (fol. 370) durch Parla-
mentsbeschluß vom 1. September 1595 verboten. Diese fehlen da-
her jetzt in den meisten Exemplaren dieser Ausgabe. Andreas