Full text: Das königliche Schloss in Berlin

Von jener erften Anlage nun ift heute nur noch, von drei Seiten in {päteres Mauerwerk eingebaut, 
ein Rundthurm erhalten. Es ift einer jener noch hundertfach vorkommenden Mauerthürme, deren unteres 
fenfterlofes Gefchofs als Gefängnifs diente und durch eine Oeffnung in der Decke mit dem darüber liegenden 
Gemach in Verbindung ftand. Die oberen Gefchoffe waren urfprünglich zur Vertheidigung beftimmt und 
wurden {fpäter, ihrer feuerfeften Bauart wegen, als Archiv benutzt. 
Man hat bisher geglaubt, auch die Umfaffungsmauern der heut noch erhaltenen, wenn auch nicht 
mehr kirchlichen Zwecken dienenden St. Erasmus-Kapelle auf die Zeit der Burggründung zurückführen und 
nur eine Erneuerung der urfprünglichen Decke im 16. Jahrhundert annehmen zu dürfen. In der That if 
das Vorhandenfein der Kirche urkundlich fchon im 15. Jahrhundert gefichert. Die Befchaffenheit des Mauer- 
werkes aber verweift den heutigen Bau ganz und gar in die Renaiffanceperiode. Der Steinverband an 
jenem Thurm ift der im Mittelalter allgemein verbreitete wendifche, bei dem in jeder Schicht Binder und 
Strecker mit einander wechfeln. Die Ausführung ift exact und auf Rohbau berechnet, nur mit etwas breiten 
Mörtelfugen. An der Kapelle herrfcht dagegen eine lüderliche Technik; nur aus dem Gröbften behauene 
Sandfteinftücke mifchen fich unter Ziegel, die zum Theil, wie es fcheint, von dem älteren Bau wieder ver- 
wendet find; oft befteht überhaupt kein regelmäfsiger Verband, fondern Werkftücke und Lager- und Roll- 
fchichten von Ziegeln find untereinander gewürfelt; alles ift auf Verputzung berechnet. Das fo befchaffene 
Mauerwerk hat denn auch trotz feiner, zur geringen Spannung der Gewölbe verhältnifsmäfsig grofsen Stärke 
noch eine befondere Stützung wünfchenswerth gemacht, die an der füd-öftlichen Ecke in einem plumpen, 
nicht genau diagonal geftellten Strebepfeiler gegeben wurde. Da derfelbe nur ab und zu in das Mauerwerk 
der Wand eingebunden, in den meiften Schichten blos angelehnt ift, fo kann er nicht gleichzeitig mit den 
Mauern errichtet fein; wahrfcheinlich fällt feine Aufführung in das Jahr ı 572, als der Oberbau der Kapelle 
mit einem Thurm gekrönt wurde. 
Dagegen gehört in dem flach liegenden Kellergefchofs der von der Kapelle nach Süden laufende 
Theil der Aufsenmauer dem älteften Bau an, wenn auch die beiden Gewölbe der dahinter liegenden Räume 
wieder erft im fechzehnten Jahrhundert eingezogen wurden, aus welchem auch die Scheidewand zwifchen 
ihnen ftammt. Uebrigens find beide Decken ohne jeden Kunftwerth; die kleinere hat einfache Kreuzgewölbe 
ohne Rippen und Gurte mit fchwach gefpitzten Schildbögen, die gröfsere ein auf einer kurzen Sandftein- 
fäule ruhendes Sterngewölbe mit plumpen, von halben Backfteinen gebildeten Rippen. Die Ausführung ift 
roh und ungleichmäfsig. 
Von den fämmtlichen anderen Mauertheilen reicht, foweit es mir erlaubt war ihren Zuftand zu 
unterfuchen, nichts in die ältefte Periode hinauf. _ Freilich bleibt immerhin die Möglichkeit, dafs doch kleinere 
Refte aus jener Zeit unter fpäterer Ummauerung und Verputzung bis heut erhalten find. Kunfthiftorifch 
aber, und darauf kommt es hier allein an, wären fie werthlos. Wenn die ältefte St. Erasmus-Kapelle über- 
haupt an der Stelle des fpäteren Baues zu fuchen ift, was fich durch nichts erweifen läfst, fo wird man fchon aus 
Rückficht auf die fortificatorifche Bedeutung des Thurmes zu der Annahme gezwungen, dafs die Abfis damals 
nicht fo weit nach Often vorfprang, wie heute. (Vergl. den Grundrifs auf Seite 20.) 
Schon im Jahre 1450 beftätigte Papft Nicolaus V. diefe Kapelle im neuen Schloffe der Stadt Köln 
im Brandenburgifchen. Sprengel als Pfarrkirche. Am 20. Januar 1469 wurde fie dann in ein Domfiift ver- 
wandelt, und dies mit je einem Probft, Dechanten und Thefaurar, fechs Domherrn und einer Anzahl Mini- 
(tranten und Chorfchüler befetzt. Joachim der Zweite verlegte das Stift aber fchon. wieder aus dem Schloffe in 
die nahe angrenzende Dominikanerkirche auf dem heutigen Schlofsplatz, nachdem die Mönche derfelben mit 
päpftlicher Genehmigung nach Brandenburg verfetzt waren. Das zugleich vereröfserte Domftift wurde von
	        
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